Welche Schritte habe ich zu beachten, sofern mir vorgeworfen wird, mich gemäß § 142 StGB unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben (sog. Unfallflucht/Fahrerflucht)?
1. Zunächst sollte keinesfalls zugegeben werden, dass man zum angeblichen Tatzeitpunkt selbst mit dem Fahrzeug gefahren war. Hierdurch wird dann automatisch ein Strafverfahren eingeleitet bzw. – sofern dieses bereits eingeleitet war – wird dem Beschuldigten eine Verteidigungslinie genommen, nämlich dahingehend, dass die Strafbehörden nachweisen müssen, dass man zum Zeitpunkt des angeblichen Unfalls gefahren war. Häufig werden eingeleitete Strafverfahren eingestellt, weil nicht hinreichend klar ist, wer tatsächlich am Steuer gesessen hatte.
2. Danach sollte ein Anwalt eingeschaltet werden, auch wenn seitens der Behörde eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge beabsichtigt ist. Den Termin der Gegenüberstellung (nicht jedoch einen einfachen Vernehmungstermin) sollte man wahrnehmen, gegebenenfalls auch durch Bekannte, jedoch keinerlei Aussagen zum Unfallereignis (insbesondere nicht dahingehend, wer gefahren war) tätigen, welche später gegen einen verwendet werden könnten. Häufig sind die Polizeibeamten äußerst freundlich, haben nach den getätigten Aussagen jedoch die erwünschten Informationen, was den Betroffenen häufig nicht klar ist.
3. Es sollte in jedem Fall Akteneinsicht über einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Fachanwalt genommen werden. Bis dahin sollten keinerlei Aussagen getätigt werden.
4. Nach Erhalt der Akteneinsicht wird der Fachanwalt für Versicherungsrecht entweder argumentieren, dass nicht bewiesen sei, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt gefahren war bzw. – sollte dieses durch Zeugenaussagen eindeutig sein – anderweitig argumentieren, dahingehend, dass der Beschuldigte einen etwaigen Anstoß gegen ein anderes Fahrzeug insbesondere beim Einparken bzw. beim Ausparken nicht wahrgenommen habe. Die Wahrnehmung ist Voraussetzung für den Tatbestand des § 142 StGB. Ansonsten entfällt die Strafbarkeit sofort und es handelt sich lediglich noch um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit.
5. Hinsichtlich der Voraussetzung der Wahrnehmung bei der Vorsatz-Straftat des § 142 StGB ist darauf hinzuweisen, dass auch dieses von den Strafbehörden nachgewiesen werden muss. Dieses ist nach meiner Erfahrung häufig nicht möglich. Wenn überhaupt, muss regelmäßig insbesondere bei Kratzern und Schrammspuren zumindest gerichtlich ein kostspieliges technisches Sachverständigengutachten eingeholt werden, worauf in der Anbetracht der Kosten häufig verzichtet wird.
6. Sofern die Behörden dennoch davon ausgehen, dass der Anstoß vom Fahrzeugführer, dem Betroffenen, tatsächlich auch wahrgenommen worden war (hierfür sind taktile, akustische und anderweitige Wahrnehmungen relevant), kann dennoch häufig eine Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 153, 153a StPO, notfalls gegen Zahlung einer relativ geringfügigen Geldauflage, erreicht werden. In diesem Fall wären keinerlei Eintragungen im Strafregister bzw. auch nicht im Fahreignungsregister erfolgt.
7. Unter der Prämisse, dass die Behörden eine Bestrafung für erforderlich erachten, wird ein schriftliches Urteil (Strafbefehl) erlassen bzw. ein Termin für eine mündige Verhandlung angesetzt. Gegen einen Strafbefehl muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch erhoben werden, so dass sich auch in diesem Fall eine mündliche Verhandlung anschließt.
8. Im Rahmen einer mündigen Verhandlung sind wiederum alle Verteidigungsmöglichkeiten gegeben. Auch hierbei muss nachgewiesen werden, dass der Angeklagte tatsächlich einen Unfall wahrgenommen hatte. Dieses ist häufig bei kleinen Kratzern oder Schrammschäden nicht gegeben. Auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung kann häufig noch eine Einstellung gemäß §§ 153, 153a StPO erreicht werden.
9. Sofern tatsächlich eine Verurteilung erfolgt, kann hiergegen Berufung eingelegt werden. Dieses muss innerhalb von einer Woche nach dem mündlichen Urteil geschehen. Auch in der Berufungsinstanz sind alle Verteidigungsmöglichkeiten weiterhin gegeben.
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass nach den Erfahrungen des Unterzeichners bei guter Verteidigung sehr häufig eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden kann. Es ist jedoch dringend zu raten, sich unverzüglich nach Bekanntwerden eines Tatvorwurf an einen spezialisierten Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden. Bis dahin sollte nicht zu der Frage, wer Fahrzeugführer des Fahrzeuges gewesen war, Stellung genommen werden! Auch sollten sonstige Aussagen gegenüber den aufnehmenden Polizeibeamten vermieden werden.
Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht aus der Berliner Kanzlei Legalskills Bodo K. Seidel, Kontakt: Tel. 030/2639550 und bs@legalskills.de