Die Frage, wer bei einem Autounfall die Schuld trägt, wenn es nach einem Einbiegen in eine Straße zu einer Kollision kommt, ist immer wieder Gegenstand von Rechtstreitigkeiten. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hat Grundsätze zur Abwägung aufgestellt über die beiderseitgen Verursachungsbeiträge des aus einem Grundstück auf die Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmers, der unmittelbar danach nach links in eine Straße abbiegen will, und des ihn überholenden Fahrzeugführers (Urteil vom 07.03.2014, Az.: I-9 U 210/13). Das OLG hat in der Berufungssache ein Urteil des Landgerichts Arnsberg damit teilweise abgeändert. Im Ergebnis hat es die Beklagten verurteilt, an den Kläger über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 1.602,88 € nebst Zinsen zu zahlen. Nach Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens wurde eine Schadensverteilung von 75% zu 25% zulasten der Beklagten vorgenommen. Der Kläger begehrte mit dem Berufungsverfahren einen Schadensersatz zu 100%. Das OLG hat den Schadensersatzanspruch des Klägers § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 2 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bejaht, da gemäß der nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eine Alleinhaftung des Beklagten für die Folgen dieses Unfalls anzunehmen sei: „Die Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, dass es einen (…) Geschwindigkeitsverstoß seitens des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs in die Abwägung einbezogen hat, obwohl nach den (…) Feststellungen des Landgerichts die Beweisaufnahme ein Verschulden seitens des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs nicht ergeben hat. In die Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG ist daher auf Seiten des Klägers nur die von dessen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr einzustellen. Demgegenüber belastet die Beklagten ein erhebliches unfallursächliches Verschulden (…) nach § 10 StVO und § 9 Abs. 1 S. 4 StVO.“ Insofern sei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweiseses davon auszugehen, dass die Beklagte beim Einfahren die erhöhten Sorgfaltsanforderungen (§ 10 StVO) nicht beachtet habe, da sich der Unfall im engen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Einfahren in den fließenden Verkehr ereignet hat. Zudem habe diese zugestanden, sich vor dem Abbiegen nicht durch einen Schulterblick über den rückwärtigen Verkehr vergewissert zu haben. Schließlich sei dieses Fahrmanöver erheblich und anhaltend gefährlich gewesen, weil diese mit geringer Geschwindigkeit aus einer Grundstückseinfahrt in die Fahrbahn eingebogen sei, um unmittelbar danach wieder nach links abzubiegen. Für den nachfolgenden Verkehr sei diese Abbiegeabsicht auch nicht zu erkennen gewesen. Der Fall zeigt, wie wichtig die Substantiierung von Tatsachenbehauptungen und Erfüllung der Beweislast ist. So war im vorliegenden Fall letztlich unerheblich, ob die Klägerpartei unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage überholt hat und es sodann zur Kollision kam.