Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einem Berufungsverfahren über Unfallfolgen, eine Invaliditätsleistung, dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung und Vorschädigung ein praxisrelevantes Urteil gefällt (Urteil vom 07.08.2014, Az.: 7 U 35/14): Soweit ein Unfall ursächlich für eine dauerhafte Schädigung im Schultergelenk ist, berechtigen nach Ansicht des OLG degenerative Vorschäden des Schultergelenks, welche vor dem Unfall weder behandlungsbedürftig waren noch zu einer Funktionsbeeinträchtigung geführt hatten, nicht zu einer Kürzung der Invaliditätsentschädigung. Diese Entscheidung knüpft an eine ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an (Beschluss vom 08.07.2009, Az.: IV ZR 216/07). Auslöser des Rechtsstreits war die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Unfallversicherung auf Zahlung von weiterem Krankentagegeld und einer weiteren Invaliditätsleistung aufgrund eines Unfalls. Bei diesem rutschte der Kläger beim Entladen von Ware aus seinem vor seiner Gaststätte abgestellten Pkw auf einer vereisten Stelle aus und fiel auf die rechte Schulter. Nach einer kernspintomografischen Untersuchung wurde wegen des Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter eine Operation durchgeführt. Dabei wurde ein Defekt der Rotatorenmanschette teilweise operativ verschlossen und die lange Bizepssehne durchtrennt. Der Raum unter dem Schulterdach wurde erweitert. Nachfolgend kam es zu einer postoperativen Infektion und es erfolgten Revisionseingriffe. Weil eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung vorlag, beantragte der Kläger bei der beklagten Versicherung Leistungen aufgrund von Invalidität und ein Krankentagegeld. Der Kläger hat bekräftigt, eine Kürzung der Versicherungsleistung aufgrund eines Vorschadens scheide aus, zumal er bis zum Unfalltag keine Einschränkungen oder andauernde Funktionsbeeinträchtigungen an der rechten Schulter verspürt habe. Etwaige Vorschädigungen seien normale Verschleißerscheinungen und altersentsprechend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Das OLG hat entschieden, dass die Berufung des Klägers begründet ist, weil dieser aufgrund des mit der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankentagegeld und einer weiteren Invaliditätsleistung und auf Zahlung der geltend gemachten Nebenforderungen hat. Entscheidend sei, dass für diese Invalidität und die unfallbedingten Krankheitstage nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme das Unfallereignis (mit-)ursächlich ist. Der Fall illustriert, dass sich auch gegen vermeintlich starke gegnerische Positionen und klare erstinstanzliche (Fehl-)Urteile der Gang durch die Instanzen in Unfallfällen immer lohnen kann.