Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat mit Urteil vom 14.08.2014 (Az.:4 U 68/13) über einen Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden entschieden, nachdem ein Spurwechsel des vorderen Fahrzeugs eingewandt wurde. Das OLG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21.03.2013 (Az.: 9 O 344/12) zurückgewiesen. In dem zugrunde liegenden Fall fuhr eine Zeugin mit dem Fahrzeug des Klägers an einer roten Ampel auf den vor ihr befindlichen, von dem Beklagten zu 1) gelenkten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf. Bei dem Beklagten zu 1) wurde eine Blutalkoholkonzentration von 0,7 Promille ermittelt. Der Kläger hat vorgetragen, kurz vor der Ampel habe sich ein Stau gebildet. Der Beklagte zu 1) sei zuerst hinter dem von der Zeugin gesteuerten Pkw nach rechts ausgeschert, habe diese rechts überholt, um sich sodann direkt vor der Zeugin auf die linke Fahrspur einzuordnen. Da sich der Beklagte zu 1) wieder in die Schlange hineingezwängt habe, habe die Zeugin nicht mehr rechtzeitig bremsen können und sei aufgefahren. Daher stehe ihm der Ersatz des entstandenen und klageweise geltend gemachten Sachschadens zu. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und eingewendet, der Beklagte zu 1) habe schon ca. 10 s in einem kurzen Rückstau an der Ampel gestanden, als der Unfall passierte. Er habe nicht rechts überholt. Der Auffahrunfall sei durch reine Unaufmerksamkeit geschehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Rechtsgrundsätze des Anscheinsbeweises nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.12.2011, Az.: VI ZR 177/10) eingreifen würden. So sei der Anscheinsbeweis sei nicht anwendbar, soweit vor der Kollision ein Spurwechsel stattgefunden habe. Es könne nicht statthaft sein, dass es das Landgericht unaufgeklärt gelassen habe, ob sich ein Spurwechsel stattgefunden habe. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen, weil die Entscheidung des Landgerichts weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die Tatsachen eine andere Entscheidung zulassen. Die Haftung der Beklagten besteht gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. VVG. Für die Berufung ist entscheidend, ob das Landgericht der Zeugin an der Unfallentstehung zu Recht ein überwiegendes Verschulden angelastet hat, so dass die Haftung des Halters (§ 17 StVG) vollständig hinter das Verschulden der Zeugin zurücktreten muss. Das OLG geht davon aus, dass die Unfallsituation dem äußeren Tatbestand des „klassischen“ Auffahrunfalls entsprach, so dass nach dem Anscheinsbeweis feststeht, dass die Zeugin aus Unaufmerksamkeit auf den vor ihr fahrenden Pkw auffuhr. In der Haftungsabwägung tritt die einzig zum Nachteil des Beklagten zu 1) zu gewichtende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs vollständig hinter das Verschulden der Zeugin zurück. Der Fall zeigt, dass bei Auffahrunfällen immer wieder schwierige Rechtsfragen zu klären sind, die über den Erfolg einer Klage entscheiden. Hier kam es auf eine Verteilung der Beweislast bei streitigem Spurwechsel nicht an, da ein Spurwechsel im relevanten Intervall nachweislich nicht vollzogen wurde.