Das Landgericht Tübingen hat mit Urteil vom 10.12.2013 (Az.: 5 O 80/13) entschieden, dass ein Motorradfahrer, der eine vor einer Ampel wartende Fahrzeugkolonne überholt, gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Bei einem Unfall trifft ihn wegen dieses Verschuldens und der Betriebsgefahr eine Mithaftung von einem Drittel gegenüber einem unter Verstoß gegen § 10 StVO durch eine für ihn eröffnete Lücke in der Kolonne einbiegenden Pkw. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin weiteren Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Unfalls vom 25.06.2010 in Tübingen. Zum Unfallzeitpunkt fuhrt die Klägerin mit Ihrem BMW-Motorrad an einer stehenden Kolonne links vorbei, als die Beklagte mit ihrem Pkw VW über eine offen gelassene Lücke in der stehenden Kolonne abbiegen wollte und dabei mit der Klägerin kollidierte. Außer einem Helm und einer Lederjacke trug die Klägerin keine Schutzkleidung, vielmehr eine kurze Hose. Sie wurde erheblich verletzt und während eines stationären Klinikaufenthalts wegen einer hinteren Schulterluxation und 2.gradig offener distalen Unterschenkelfraktur rechts mit ausgeprägtem Weichteilschaden behandelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte wurde nach § 153a StPO gegen Zahlung von 300 € an die Kreisverkehrswacht eingestellt. Die Klägerin wurde viermal operiert. Sie ist immer noch bei längerer täglicher Arbeitsbelastung und bei Freizeitaktivitäten eingeschränkt. Das Landgericht Tübingen hat der Klägerin im Ergebnis das von dieser begehrte Schmerzensgeld von 20.000 € nicht voll zugesprochen, weil es eine Haftung der Beklagten nur zu zwei Drittel angenommen hat aufgrund deren schuldhaften Verstoßes gegen § 10 StVO, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Denn beim Einbiegen durch eine Kolonnenlücke ist mit überholendem Verkehr zu rechnen, so dass „allenfalls ein zentimeterweises Hineintasten“ zulässig gewesen wäre, durch die Kollision hätte vermieden werden können. Der Verschuldensanteil der Klägerin ist auf deren Verstoß gegen § 5 StVO zurückzuführen, indem sie bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt hat. Der Fall gibt Unfallgeschädigten die Gewissheit, im Einzelfall auch vermeintlich hohe Schmerzensgeldbeiträge durchsetzen zu können, auch wenn diese zunächst außergerichtlich vehement bestritten werden.