Goslar 2013: Das Schadensmanagement der Rechtsschutzversicherer im Verkehrsrecht

Der 51. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar hat sich im Arbeitskreis VI mit dem Schadensmanagement der Rechtsschutzversicherer beschäftigt. Die Politik der Versicherer, ihre Versicherungsnehmer durch Empfehlungen und finanzielle Anreize zu steuern, ist jedoch weder auf die Rechtsschutzsparte noch auf das Verkehrsrecht beschränkt. Dennoch oder deswegen lesen sich die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags eher vage: Anwaltschaft und Versicherer wollen weiter im Gespräch bleiben; gegebenenfalls unter mediativer Unterstützung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, im AK VI vertreten durch Ministerialdirigent Dr. Michael Stumpf, Leiter der Abteilung Zivilrecht und Verbraucherrecht .

Die Rechtsschutzversicherer, im AK VI repräsentiert durch Dr. Ulrich Eberhardt, Mitglied des Vorstands der HUK-COBURG-Rechtsschutzversicherung AG, vertreten die Auffassung, es werde nur die Nachfrage der VN bedient: Ca. 2/3 ihrer Kunden erwarten eine Empfehlung eines Anwalts und immer mehr möchten alternative Konfliktlösungen, v.a. durch Mediation. Auch verdienen „ihre“ Poolanwälte nicht weniger.

Ist das so?

1. Die Erwartung einer – geeigneten – Empfehlung ist durchaus nachvollziehbar. Aber warum erwartet der VN eine Empfehlung? Der VN dürfte davon ausgehen, dass ein Rechtsschutzversicherer mit sehr vielen Anwälten Erfahrungen gemacht hat und anwaltliche Arbeit qualitativ einschätzen kann. Davon, dass der Rechtsschutzversicherer zunächst Anwälte empfiehlt, mit denen er eine Abrechnungsvereinbarung unterhält, erfährt der Kunde weder im Rahmen der schriftlichen noch mündlichen Deckungszusage noch durch einen Blick in die ARB. Nicht zu unterschätzen ist auch die Sorge des VN, dass er gegen vertragliche Obliegenheiten verstößt, falls er entgegen der Empfehlung mandatiert.

2. Alternative Konfliktlösungen sind sicher zu begrüßen. Aber was verbindet der VN mit Mediation? Mediation sollte eben eine alternative Konfliktlösung sein, die den rechtlich informierten Medianten voraussetzt. Der Kunde erwartet also eine weitere Option, mithin ein „Mehr“ an vertraglicher Leistung seines VR (, so wie es ihm auch in der Werbung suggeriert wird). Dagegen dürfte er keine – weitere – Hürde im Kleingedruckten auf dem Weg zur Deckungszusage für anwaltlichen Rat erwarten. Die veröffentlichten ARB der HUK Rechtsschutz sehen jedoch ein Sanktionssystem vor: Derjenige VN, welcher „in geeigneten Fällen“ die Mediation „des vom Versicherer vermittelten Mediators/der Schiedsperson“ nicht durchführt, wird zurückgestuft und zahlt künftig eine höhere Selbstbeteiligung. Letzlich ist die Klausel genauso gestaltet wie diejenige, die derzeit beim BGH unter Az. IV ZR 215/12 anhängig ist. Die Vorinstanz (OLG Bamberg) hat diese Vertragsgestaltung für unzulässig erachtet.

3. Und schließlich die Gretchenfrage, ob Poolanwälte tatsächlich nicht weniger verdienen? 2004 trat das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Kraft und dieses enthält – mit Ausnahme des Beratungsbereichs – detaillierte Gebührenbestimmungen, die einer unabhängigen Anwaltschaft ebenso gerecht werden sollen wie dem Interesse des Rechtssuchenden an kalkulierbaren Gebühren bzw. bezahlbaren Versicherungsprämien. Bei Rahmengebühren soll danach die Mittelgebühr zur konkret billigen Gebühr für den Normalfall werden, vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. A., Rn. 10 zu § 14 RVG. Die HUK Rechtsschutz hat ihr Abrechnungsmodell veröffentlicht. Im blog lawyers life gibt es Folgendes zu lesen:

„Abrechnungsvereinbarung für außergerichtliche Tätigkeiten

Die gesetzlichen Gebühren für die gerichtliche Tätigkeit der Kanzlei bleiben von dieser Vereinbarung unberührt. Soweit im Einzelfall die Vergütung nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung oder Haftungsrisiko der Kanzlei steht, gilt für die Vergütung im außergerichtlichen Bereich Folgendes:

  1. Die Kanzlei wird im Regelfall keine Vorschüsse auf die bei ihr entstehenden Gebühren anfordern. Eine Ausnahme gilt für Deckungszusagen, die unter Vorsatz-Vorbehalt erteilt wurden.
  2. Erstberatungen werden mit einer Pauschale in Höhe von 80,00 €, alle weiteren Beratungen, unter Anrechnung der Erstberatungsgebühr mit einer Pauschale in Höhe von 120,00 € abgerechnet. Eine Erhöhung wegen der Beratung mehrerer Mandanten in gleicher Sache erfolgt nicht. Die Beratung zeigt Möglichkeiten konsensualer oder kontradiktorischer Verfahren auf, kann dem Mandanten aber auch lediglich als erste rechtliche Orientierung dienen.
  3. Die Geschäftsgebühr wird mit einem Satz von 1,0 aus Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG abgerechnet. Erhöhungen für mehrere Auftraggeber (Nr. 1008 VV) werden nicht in Ansatz gebracht. Besonders schwierige oder/und umfangreiche Angelegenheiten können nach vorheriger Absprache individuell abgerechnet werden.
  4. In außergerichtlichen arbeitsrechtlichen Bestandsschutzangelegenheiten wird als Gegenstandswertobergrenze die Zugrundelegung dreier Bruttomonatsgehälter vereinbart. Alle weiter geltend gemachten Ansprüche (Zeugnis, Weiterbeschäftigungsanspruch, Lohnansprüche ab dem Zeitpunkt der Kündigung, Arbeitspapiere, Urlaubsabgeltung, Überstunden, u.Ä.) erhöhen die Gegenstandswertobergrenze nicht, es sei denn die Komplexität der Sache erfordert dies. Der Rechtsanwalt wird in Erfüllung seiner von der Rechtsprechung auferlegten Hinweis- und Beratungspflichten im wohlverstandenen Interesse des Mandanten diesem die Erteilung eines unbedingten Klageauftrags empfehlen, sofern gesetzliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen. Im Falle eines Vergleichs, dessen Wert höher ist als drei Bruttomonatsgehälter, soll nur die Einigungsgebühr aus einem Wert von vier Bruttomonatsgehältern berechnet werden. Von diesem Vorgehen kann in begründeten Einzelfällen in gemeinsamer Absprache der Parteien abgewichen werden, wenn die sich so errechnende Einigungsgebühr der Angelegenheit nicht gerecht wird.
  5. Betragsrahmengebühren werden im außergerichtlichen Bereich mit der Mittelgebühr abzüglich eines Nachlasses von 19 % abgerechnet.“

Der HUK-COBURG-Rechtsschutzversicherung AG schließt Vereinbarungen mit unabhängigen Anwaltskanzleien und spricht im konkreten Rechtsschutzfall Empfehlungen für diese Kanzleien aus.

Sie empfiehlt hierbei nur Kanzleien, die mindestens eine rechtsschutzrelevante Fachanwaltschaft vorhalten und mit dem Versicherer über das GdV-Branchennetz kommunizieren können. Die Einhaltung der besonderen Anforderungen des Datenschutzrechtes, denen der Versicherer einen hohen Stellenwert beimisst, wird durch die Kanzleien explizit zugesichert. Die Qualität in der Organisation der Kanzleien wird mit einem Zertifikat einer beliebigen, unabhängigen, akkreditierten Zertifizierungsstelle nach DIN EN ISO 9001 nachgewiesen.“

Die Aussage, Poolanwälte verdienen nicht weniger, ist damit durchaus kritisch zu hinterfragen. Mag dies im – frei verhandelbaren – Beratungsbereich noch zutreffen, so dürfte z.B. der Ansatz einer 1,0 Geschäftsgebühr als Regelfall mit dieser These nicht mehr vereinbar sein.

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de

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