Verkehrsrecht Saarland: Klage auf Schadensersatz trotz eines Vorschadens überwiegend stattgegeben (Urteil des AG Saarbrücken vom 28.02.2024 )

Der Fall:

Unsere Mandantin erlitt bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden an ihrem KFZ, das allerdings bereits einen Vorschaden erlitten hatte.

Das Problem:

Die Versicherung lehnte jegliche Zahlungen ab mit der wörtlich oder inhaltlich in vielen Verkehrsunfallsachen wiederkehrenden Begründung:

Bei einem Verkehrsunfall trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast, ob und in welchem Umfang ihm ein Schaden entstanden ist. Dies bedeutet, dass der Geschädigte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschließen muss, dass der geltend gemachte Schaden bereits durch ein vorheriges Schadenereignis entstanden ist (vgl. nur OLG Saarbrücken vom 18.07.2019, Az. 4 U 102/17). Gelingt ihm dies nicht, geht dies zu seinen Lasten (vgl. u. a. Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.05.2017, Az.U 35/16, m.w.N.).

Konkret bedeutet dies, dass der Geschädigte bei der Geltendmachung des Wiederbeschaffungsaufwands verpflichtet ist, die Vorschäden im Detail, also die konkret beschädigten Fahrzeugteile sowie die Art der Beschädigung und die für die Beseitigung erforderlichen Reparaturschritte und eventuell tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeiten schlüssig darzulegen (vgl. u. a. OLG Celle vom 08.02.2017, Az.

14 U 119/16). Ohne diese Informationen ist es nicht möglich, den konkreten Wiederbeschaffungswert nachzuvollziehen. Selbst wenn der Vorschaden sich auf einen anderen Schadenbereich bezieht als der nun entstandene Schaden, bestehen die o. g. Pflichten des Geschädigten (vgl. LG Berlin vom09.07.2020, Az. 41 0 147/19).

Diesen Anforderungen werden die eingereichten Unterlagen nicht gerecht. Wir bitten um Verständnis, dass wir aus diesem Grund eine Erstattung zurückstellen.“

Wie fast immer in solchen Fällen wurde die Erstattung jedoch nicht nur zurück gestellt, sondern gänzlich verweigert.

Das Urteil:

Das Gericht hat – gegen den heftigen Widerstand der Beklagten – zurecht ein Gutachten eingeholt und anschließend der Klage überwiegend sattgegeben.

U.a. führt das Gericht wie folgt aus:

„Der Sachverständige führte aus, dass für ein vergleichbares Fahrzeug im Unfallzeitraumdurchschnittliche Angebotspreise von 2950,00 € zu ermitteln gewesen seien.

Da davon auszugeben sei, dass es sich bei den Inseraten um Angebotspreise handele, die in der Regel einem gewissen Verhandlungsspielraum unterlägen und der tatsächliche Verkaufspreis deshalb niedriger anzusetzen sei als der Angebotspreis, sei ein realisierbarer mittlerer Verkaufspreis in einem Bereich von etwa 2700,00-2800,00 € anzusetzen für ein Fahrzeug in einem durchschnittlichen Allgemeinzustand ohne sichtbare Vorschäden.

Da bei dem Fahrzeug jedoch als unreparierter Vorschaden eine Verformung am Kotflügel vorne links, ein Bruch des Scheinwerferhalters am rechten Scheinwerfer sowie eine leichte Verformung am Heckstoßfänger vorgelegen habe, ferner der Kühlergrill leicht verbogen und eingerissen gewesen sei und der Sitzbezug vorne links zwei Löcher gezeigt habe, seien von diesem mittleren Verkaufspreis Abzüge zu machen.

Der Sachverständige (…) führte aus, der gebrochene Halter am rechten Scheinwerfer

könne fachgerecht geklebt werden, sodass hierfür allenfalls ein Abzug von 50,00 € vorzunehmen sei. Für die am Kotflügel vorne links vorhandenen mehreren einzelnen Eindellungen und ausgehend von der Möglichkeit einer Reparatur mit einem Gebrauchtteil könne hierfür ein weiterer Abzug in Höhe von 100,00 € vorgenommen werden. Der Kühlergrill sei leicht verformt und an einer Stelle ausgerissen, dies sei jedoch kaum auffällig. Ferner sei der Kühlergrill ordnungsgemäß befestigt und nicht lose.

Der Sachverständige führte aus, insoweit könne im Hinblick auf das Fahrzeugalter zum Unfall-Zeitpunkt von etwa 17 Jahren für die Beschädigung des Kühlergrill und die leichte Verformung am Stoßfänger allenfalls ein weiterer Abzug von etwa 50,00 € berücksichtigt werden.

Die beiden Brandlöcher im Sitz wären durch eine Smart Repair mit einem Kostenaufwand von etwa 100,00 € instand zu setzen, sodass aufgrund der Vorschäden ein Abzug von 300,00 € zu berücksichtigen sei.

Er führte weiter aus, ein potentieller Käufer eines derart alten Fahrzeuges werde den Zustand der Bereifung und der Gültigkeit der HU mehr gewichten als leichte Beschädigungen, die lediglich die Optik beeinträchtigten. Die Bereifung des Fahrzeugs sei neuwertig und die HU noch etwa 1,5 Jahre gültig.

Vor diesem Hintergrund komme er zu dem von ihm ermittelten mittleren Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2450,00-2550,00 €

Das Gericht schätzt im Hinblick auf diese Ausführungen gemäß § 287 ZPO de/i Wiederbeschaffungswert auf 2450,00 €.“

Auch hier war damit der Versuch der Versicherung gescheitert, sich wegen – unstreitig vorhandener – Vorschäden gänzlich ihrer Zahlungspflicht zu entziehen, so dass sie schlussendlich – aufgrund zusätzlich zu zahlender Gerichts-, Anwalts- und Gutachterkosten – weit mehr an Kosten zu tragen hatte, als wenn sie den Unfall außergerichtlich angemessen reguliert hätte.

Das Aktenzeichen und die Urteilsgründe werden wir zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen.

Über den Autor:
Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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