Verkehrsrecht Saarlouis: Unfall zwischen Überholer und Linksabbieger – Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 11.08.2022

Wie bereits mehrfach in diesem Blog berichtet , ist die Kollision zwischen Überholer und Linksabbieger eine häufig vorkommende Unfallkonstellation.

Versicherer nehmen oft eine überwiegende Haftung des Überholens an.

Wie auch schon das LG Saarbrücken entschieden hat,

https://schadenfixblog.de/2021/09/29/verkehrsrecht-saarland-alleinschuld-des-linksabbiegers-bei-kollision-mit-einem-ueberholer-urteil-des-lg-saarbruecken-vom-13-11-2020-az-5-o-166-19-und-hinweisbeschluss-des-des-olg-saarbruecken-vom/

ist dies unzutreffend.

Das OLG Celle hat kürzlich sogar entschieden, dass noch nicht einmal beim Überholen von 9-10 Kfz ein unzulässiger Überholvorgang vorliegt

https://openjur.de/u/2432246.html

Ebenso hat nun das AG SLS  – im Einklang mit einer früheren Entscheidung

https://schadenfixblog.de/2014/09/26/verkehrsrecht-saarlouis-alleinhaftung-des-ueberholers-bei-kollision-mit-linksabbieger-urteil-des-amtsgerichts-saarlouis-vom-01-08-2014-az-24-c-122213-10-im-volltext/

– geurteilt, dass der Linksabbieger wegen Verstoßes gegen die doppelte Rückschaupflicht die überwiegende Haftung zu tragen hat

Das Gericht führt wie folgt aufs:

Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen grundsätzlich nach §§ 17
Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG bzw. nach § 254 Abs. 1 BGB von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem ein oder anderen Teil verursacht
worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist
aufgrund aller festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umständen des Einzelfalles vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten
zur Schadensentstehung beigetragen haben. Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor
der Abwägung (st. Rspr., vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 07.02.2012 – VI ZR 133/11 –, juris).
Ist das Maß der Verursachung auf der einen Seite so groß, dass demgegenüber die Mitverantwortung der anderen Partei nicht ins Gewicht fällt, so kann der Schaden ganz der einen
Partei auferlegt werden.
a.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass der Zeuge … gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen hat.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO ist der Abbiegende zur einer doppelten Rückschau verpflichtet. Er muss vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden
Verkehrs ausgeschlossen ist.
Der Zeuge … bekundete, dass er in den Spiegel geschaut, einen Schulterblick gemacht
und den Blinker setzte habe und dann abgebogen sei. Auf gerichtliche Nachfrage, ob er nach
dem Blinkersetzen nochmal nach hinten geschaut habe, gab er an, dass er das nicht genau
sagen können. Selbst bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen … liegt demnach ein
Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO vor. Der Ausschluss der zweiten Rückschau nach § 9
Abs. 1 Satz 4 Hs. 2 StVO kommt vorliegend nicht in Betracht.

Der Beklagte zu 1 war auch als potentieller Überholer wahrnehmbar, denn er befand sich unstreitig vor Einleitung des Abbiegevorgangs des Zeugen … bereits auf der Gegenfahrbahn.
Dass der Zeuge … nach eigenen Angaben den Beklagten zu 1 nicht gesehen habe, lässt
nicht den Rückschluss zu, dass dieser nicht wahrnehmbar war. Vielmehr dürfte dies dem Umstand geschuldet sein, dass er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht nachkam. Im Übrigen
wurde dies klägerseits nicht vorgetragen und wird ausweislich des Dashcam-Aufzeichnung
widerlegt. Anhand der Dashcam-Aufzeichnung ist erkennbar, dass der Beklagte zu 1, als der
Zeuge … das Auto nach links steuerte, fast auf einer Höhe mit dem Klägerfahrzeug war.
Die Aufzeichnung der Dashcam durfte vorliegend verwertet werden, weil die Beteiligten, insbesondere die auf der Aufzeichnung sichtbaren Beteiligten, ihr Einverständnis hierzu erklärten.
b.
Angesichts des Vorgenannten ist auch ein Verstoß des Zeugen … gegen § 9 Abs. 5 StVO
gegeben, weshalb die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs in st. Rspr. höher zu bewerten ist.
sodass kein Anspruch über den bereits regulierten Betrag mit einer
Haftungsquote von einem Drittel besteht (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 13.11.2020 – 13 S
17/20 –).

Das Aktenzeichen werden wir zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen.

Über den Autor:

Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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