Das Amtsgericht Weißenburg i.Bay. hat mit Urteil vom 01.09.2022 erneut der Kürzungspraxis der Haftpflichtversicherter eine klare Absage erteilt.
Rechtlich seit Dekaden ausgekocht scheuen es Haftpflichtversicherer weiterhin nicht, immer wieder mit denselben abgedroschenen Argumenten die berechtigten Schadensersatzansprüche der Geschädigten mit Hinweis auf „Prüfberichte“ zu kürzen.
Ein „Prüfbericht“ ist aber nach erfolgter Reparatur gem. Gutachten gerade kein geeignetes Instrument für eine Rechnungskürzung und ein Gericht muss auch kein (weiteres) Gutachten zu der Frage einholen, ob die tatsächlich gem. Prognose des Gutachters durchgeführten und in Rechnung gestellten Arbeiten zur Behebung des unfallbedingten Schadens erforderlich waren.
So hat das OLG Nürnberg schon kurz und knapp – und vollinhaltlich zutreffend – formuliert: „Eine Rechnungskürzung findet im Schadensrecht nicht statt.“ Etwas ausführlicher war dagegen das AG Weißenburg (Az. 2 C 239/99):
Hinsichtlich der geltend gemachten Reparaturkosten waren diese nach Auffassung des Gerichts vollumfänglich zu zahlen, (…). Nach Auffassung des Gerichts kann hier letztlich dahinstehen, ob die Reparaturkosten tatsächlich überhöht waren oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung schuldet der Schädiger bei der durchgeführten Instandsetzung als Herstellungsaufwand gemäß § 249 S. 2 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt innerhalb infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat (vergl. AG Ansbach, Urteil vom 30.07.2020, Aktenz.: 2 C 486/20). Es würde Sinn und Zweck des § 249 BGB zuwiderlaufen, wenn der Geschädigte bei der Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung sein Einfluss entzogen sind, so dass das Werkstattrisiko letztlich vom Schädiger zu tragen ist (so auch ständige Rechtsprechung des Amtsgerichts Weißenburg).
Der das Werkstattrisiko zu tragende, Schädiger hat auch zu hohe Reparaturkosten zu tragen, außer wenn die vom Geschädigten ausgesuchte Werkstatt für diesen vorhersehbar für eine ordnungsgemäße und gleichzeitig wirtschaftliche Reparatur nicht geeignet war. Bei Umfang der erforderlichen Reparatur darf ein Geschädigter grundsätzlich auf die Angaben des sachverständigen Gutachters vertrauen und entsprechend seines Gutachtens zu ersetzenden Schadens Beseitigungsmaßnahmen beauftragen (vergl. OLG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2003, Aktenz.: 4 U 131/02).
In diesem Fall hat der Haftpflichtversicherer also nicht nur den gekürzten Betrag nach-, sondern auch Zinsen und Prozesskosten bezahlen müssen. Unter dem Strich scheint es sich aber für die Haftpflichtversicherer immer noch zu rentieren, da anscheinend immer noch viele Geschädigte und/oder Werkstätten diese Kürzungen klaglos hinzunehmen scheinen.