Verkehrsrecht Saarlouis: das Amtsgericht Saarlouis spricht in drei aktuellen Urteilen die Corona-Desinfektionskosten vollumfänglich zu.

Das Problem:

Werkstätten, die einen Unfallschaden reparieren, haben dadurch erhöhte Aufwendungen, dass das Fahrzeug vor Rückgabe an den Kunden sorgfältig desinfiziert werden muss, um eine etwaige Übertragung des Corona-Virus zu vermeiden.

Hierdurch entstehen zusätzliche Material- und Zeitaufwendungen, die in der Reparaturrechnung berechnet werden.

Viele Versicherer lehnen jedoch diese zusätzlichen Aufwendungen ab.

Freilich zu Unrecht!

Die Urteile:

Das Amtsgericht Saarlouis hat mit ausgesprochen sorgfältigen und überzeugenden Begründungen in drei ganz aktuellen Urteilen jeweils die entsprechenden Desinfektionskosten zugesprochen.

Unter anderem begründet das Gericht seine Entscheidung – vom 26.04.2021 –  wie folgt:

„Die angefallenen, durch Rechnung ausgewiesenen Reparaturkosten sind zwar zunächst nur ein Anhalt zur Bestimmung des erforderlichen Reparaturaufwands, sie indizieren aber die Erforderlichkeit im Rahmen von § 249 BGB. Sie sind auch dann ersatzfähig, wenn sie zur Beseitigung des Unfallschadens zwar objektiv nicht erforderlich waren, sich aber aus der Sicht des Geschädigten subjektiv als erforderlich dargestellt haben. Dies ist Ausfluss der subjektbezogenen Bestimmung der Erforderlichkeit. Die Erforderlichkeit wird von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so dass auch seine Abhängigkeit von Fachleuten; die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss, Berücksichtigung finden muss. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht worden sind, hat der Schädiger zu tragen, ihn trifft das Prognose- oder Werkstattrisiko (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 31. 8. 2018; 13 S 104/17; Freymann/Rüßmann in: Freymann/ Wellner; jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 26.01.2021), Rn.76).

 Legt man diese Grundsätze zugrunde, trägt der Schädiger auch das Risiko, dass sich die im Zuge der Reparatur vorgenommenen Maßnahmen später als nicht so oder nicht in dem erfolgten Umfang als erforderlich erweisen. Lässt etwa der Geschädigte im berechtigten Vertrauen auf die Begutachtung „seines“ Sachverständigen das Fahrzeug in vorgeschlagener Art und Umfang reparieren, darf er die dabei angefallenen Kästen ersetzt verlangen, selbst wenn das Gutachten falsch ist und die durchgeführte Reparatur objektiv nicht erforderlich gewesen wäre. Das ist zwar kein Freibrief für den Geschädigten, der insoweit weiterhin den Nachweis führen muss, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung, aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den .Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat. An diesen Nachweis dürfen auch nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden. Dennoch kommt es auf die Frage, welche Kosten objektiv erforderlich gewesen wären, grundsätzlich nicht mehr an — und bedarf im Verhältnis zwischen dem Ersatzpflichtigen und Geschädigten auch keiner Sachverständigenbegutachtung im Prozess —, wenn keine Umstände vorgetragen sind, die ein Verschulden des Geschädigten bei der Entstehung der Mehrkosten begründen könnten. Solch ein Verschulden kommt in Betracht, wenn der Geschädigte auf die Angaben seines Gutachters oder seiner Werkstatt nicht vertrauen durfte, sei es, weil ihn ein Auswahlverschulden trifft oder weil er — im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle — ohne weiteres hätte erkennen können, dass die der Reparatur zugrundeliegende Bewertung seines Sachverständigen oder der gewählten Reparaturwerkstatt offenkundig fehlerhaft ist (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 16.12.2011; 13 S 128/11;Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 13.2.2015; 13 S 198/14; Freymann/RüßMann in: Freymann/ VVellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 136).

 Angesichts der anhaltenden Pandemielage musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass Positionen zur Desinfektion des Fahrzeuges nach der Reparatur nicht zum erforderlichen Herstellungsaufwand gehören. Es handelt sich zweifelsohne um Maßnahmen, die in der derzeitigen Lage erwartet werden dürfen und damit auch konkludent vertraglich vereinbart sind (so auch AG Aichach, Urteil vom 29.09.2020, Az. 101 C.560/20). Es ist insofern plausibel, dass zusätzlicher Aufwand getrieben werden muss. Ein Sachaufwand von 15 Euro netto und ein zusätzlicher Arbeitsaufwand von 71 Euro netto für Desinfektionsmaßnahmen ist ohne weiteres nachvollziehbar.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Die Aktenzeichen der Entscheidungen lauten wie folgt:

Urteil vom 26.04.2021 – AZ: 25 C 1271/20 (12).

Urteil vom 30.04.2021 – AZ: 25 C 1246/20 (12).

Urteil vom 13.07.2021 – AZ: 25 C 1187/20 (12).

Damit befindet sich das Amtsgericht Saarlouis im Übrigen in Übereinstimmung mit der überwiegenden Anzahl der Gerichte, die bisher über diese Problematik zu entscheiden hatten.

Über den Autor:
Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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