Im Totalschadensfall teilen die eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer den Geschädigten gerne und mit einer gewissen Regelmäßigkeit mit, dass eine Nutzungsentschädigung zumindest „derzeit leider nicht“ bezahlt werden kann. Man würde dies aber „sehr gerne“ machen, wenn die Ersatzbeschaffung z.B. durch Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I nachgewiesen wird. Es wird auch nicht die Behauptung gescheut, dass ansonsten eine derartige Entschädigung „nicht vorgesehen“ ist. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat von daher jüngst wieder klarstellen müssen: Der Anspruch auf Ersatz einer Nutzungsausfallentschädigung besteht auch dann, wenn der Geschädigte eine Ersatzbeschaffung nicht durchführt oder eine Reparatur nicht veranlasst.
Eigentlich ein alter Hut: Bereits in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die infolge einer Beschädigung verursachte Unmöglichkeit, den Kraftwagen zu nutzen, auch dann einen Vermögensschaden darstellt, wenn ein Ersatzfahrzeug während der Zeit der Reparatur nicht beschafft wird. Die Oberlandesgerichte haben hieraus unisono – zurecht – geschlossen, dass auch im Totalschadensfall die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs nicht Anspruchsvoraussetzung ist.
Ansatzpunkt der Versicherer ist dabei regelmäßig der vermeintlich fehlende Nutzungswille. Daran ist nur soviel richtig: Der Nutzungswille ist – neben der Nutzungsmöglichkeit – Voraussetzung für eine Nutzungsausfallentschädigung und vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Dies ist jedoch regelmäßig kein wirkliches Problem, da der Nutzungswille durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs bis zum Unfallzeitpunkt indiziert ist. Ein weiterer Nachweis durch Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I (vormals Fahrzeugschein) ist danach grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Dies musste das AG Berlin-Mitte nun wieder klarstellen.
Ganz offensichtlich sind die Sachbearbeiter diverser Versicherer dennoch gehalten, Zahlungen erst nach entsprechenden Nachweis zu leisten und die entsprechende Textbausteine zu verwenden. Zur Kostendämpfung ist immer noch jedes Mittel recht. Zu viele Geschädigte nehmen diese Kürzungen unwidersprochen hin.
Anmerkung zum Urteil des AG Berlin-Mitte vom 14. August 2014 zum Az. 10 C 3110/13 mit Bezug auf BGH vom 30.09.1963 zum Az. III ZR 137/62, KG Berlin vom 01.03.2004 zum Az. 12 U 96/03 und OLG Stuttgart vom 06.10.1999 zum Az. 4 U 73/99.
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Michael Schmidl, anwaltschmidl.deDer Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.Leserreaktionen an kontakt@anwaltschmidl.de
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