Der Bundesgerichtshof trägt die fiktive Abrechnung auf Gutachtensbasis peu a peu zu Grabe. Nächster Sargnagel ist das Urteil vom 14. Mai 2013. Danach soll der Schädigers den Geschädigten noch im Rahmen eines Rechtsstreits auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen Werkstatt verweisen können.
Der Sachverhalt: Der Geschädigte hatte fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet. Der beklagte Versicherer hatte den Schadensbetrag aufgrund eines eigenen „Prüfgutachtens“ um über 1000 € gekürzt und vorprozessual auf günstigere Stundenverrechnungssätze von Referenzwerkstätten verwiesen, ohne diese konkret zu benennen. In erster Instanz wurden sodann konkrete Werkstätten benannt, die unstreitig zu den von der Beklagten angesetzten Kosten repariert hätten.
Der BGH: Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Sofern der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in der Referenzwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, kann entsprechend gekürzt werden. Nunmehr ist der Verweis auch grundsätzlich noch im Rechtsstreit möglich.
„Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. (…)Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.“
Dem Geschädigten kann damit derzeit nur geraten werden, sein Fahrzeug grundsätzlich in der Markenwerkstatt vollständig sach- und fachgerecht reparieren zu lassen, sofern die 130 %-Grenze eingehalten ist. Im Fall der fiktiven Abrechnung wird er nicht wissen, welchen Schadensersatzbetrag er bekommen wird. Anders als der BGH ausführt, kann der Geschädigte eben gerade nicht disponieren – er weiß schlicht nicht, mit welchem Betrag er rechnen kann.
Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2013 zum Az. VI ZR 320/12.
_________________________________Michael Schmidl, anwaltschmidl.deDer Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de_______________________________________________________ |