Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, das bei einem Unfall mit einem Rettungsfahrzeug für dessen Fahrer trotz bestehender Sonderrechte besondere Sorgfaltspflichten gelten (Urteil vom 27.11.2012, Az. 24 U 45/12). In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um eine Kollision eines KFZ mit einem Rettungsfahrzeug in einem Kreuzungsbereich. Auf die Klage des KFZ-Halters hatte das Landgerichts Darmstadt (Urteil vom 06.12.2011, Az.: 8 O 199/11) die Beklagten eines Teilbetrages verurteilt. Das OLG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des erkennendes OLG-Senats steht dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz seiner bei dem Verkehrsunfall entstandenen materiellen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 17, 18 StVG zu. Unbestritten hat das Einsatzfahrzeug der Beklagten zur Unfallzeit Sonderrechte gemäß §§ 35, 38 StVO in Anspruch genommen. Der Fahrer des Rettungsfahrzeugs war nach § 35 Abs. 5 a StVO von den Vorschriften der StVO befreit, weil höchste Eile geboten war, um Menschenleben zu retten. Allerdings sind auch bei einer Sonderrechtsfahrt i.S.v. § 35 Abs. 8 StVO die öffentliche Sicherheit und Ordnung „gebührend zu berücksichtigen“. Das OLG hat ausgeführt: „Die Tatsache, dass das Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht in die Kreuzung einfuhr, verringerte daher die von dem Fahrer des Fahrzeugs zu beobachtende Sorgfalt nur insofern, als ihm die Inanspruchnahme von Sonderrechten gemäß §§ 35 und 38 StVO erlaubte, unter Benutzung eines für die Gegenfahrtrichtung vorgesehenen Abbiegestreifen in die Kreuzung einzufahren. Weder § 35 StVO noch § 38 StVO erlauben dem Einsatzfahrer aber ein Fahren ohne Rücksicht auf die sonstigen Verkehrsteilnehmer.“ Allerdings hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes nach § 17 Abs. 1 StVG von den Umständen, d.h. von den jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen ab. Zu Lasten einer jeden Partei sind insofern lediglich solche Umstände zu beachten, die unstrittig oder bewiesen sind. Das OLG hat als Ergebnis der Abwägung festgehalten, dass „der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs, die leichtfertig trotz Erkennens des herannahenden Einsatzfahrzeugs und der Möglichkeit, durch den Blinker dessen weitere Fahrtrichtung in die Kreuzung vorherzusehen, ihren Weg über die Kreuzung fortgesetzt und hierbei nicht einmal das Beklagtenfahrzeug im Auge behalten, dieses somit völlig ignoriert hat,“ so schwer wiege, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs dahinter zurücktritt. Das OLG hat demnach die „freie Fahrt“ des Rettungswagens bestätigt. Beteiligten von Unfällen mit Rettungsfahrzeugen wird empfohlen, stets anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um eine bestmögliche Schadensregulierung zu erreichen. So ändert sich die Rechtslage beispielsweise, wenn das Rettungsfahrzeug nur mit Blaulicht ohne Martinshorn fährt und es zum Unfall kommt, da die Sonderrechte nach § 38 StVO dann nicht mehr vollumfänglich greifen.