Catch as catch can – Alles erlaubt beim Wettlauf um die Geschädigten?

Schadensmanagement,  Servicezentrum, „Ihre Zufriedenheit ist uns wichtig“ etc. bla bla. Bei aller Verbalakrobatik, der Wettlauf um die Geschädigten ist weiter in vollem Gange. Versicherer nehmen sofort Kontakt auf, schicken einen Sachverständigen und anschließend einen Verrechnungsscheck und betrachten die Angelegenheit damit als erledigt. Wendet sich der Geschädigte dann – undankbarer Weise – an einen Rechtsanwalt und beauftragt auch noch einen eigenen Sachverständigen, endet der vermeintliche Service. 

Die Erholung eines eigenen Schadensgutachten stelle einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht dar. Der Schaden wäre bereits durch einen Sachverständigen festgestellt worden und zwei Gutachten müssten nicht bezahlt werden. Bezüglich der Anwaltsgebühren  wird argumentiert, dass der Gegenstandswert des mittels Verrechnungsscheck „anerkannten“ Betrages nicht herangezogen werden kann; insoweit habe man schon bezahlt. Letztlich soll der Geschädigte auf den Kosten für den eigenen Sachverständigen und den eigenen Anwalt sitzen bleiben.

Was sagen die Instanzgerichte dazu?

1. Der Geschädigte kann auch dann ein Schadensgutachten in Auftrag geben, wenn der unfallgegnerische Versicherer selbst bereits ein Schadensgutachten vorgelegt hat. Auch diese Sachverständigenkosten sind erstattungsfähiger Schaden. Dies ist dem Grundsatz der Waffengleichheit geschuldet, nachdem die Interessen der Beteiligten naturgemäß gegenläufig sind; der Geschädigte zielt auf vollständige Schadenskompensation und der Versicherer auf Minimierung der Aufwendungen.

Die Obergerichte in Stuttgart und Berlin haben bereits in den 70-er Jahren in diesem Sinne entschieden. Das AG Oldenburg (Holstein) hat sich in jüngerer Vergangenheit mit Urteil vom 22.04. 2008 Az. 22 C 1021/07 dem uneingeschränkt angeschlossen.

2. Die Kosten des Anwalts sind solange aus dem vollen Gegenstandswert durch den unfallgegnerischen Versicherer – und damit vollständig – zu erstatten, solange der Verrechnungsscheck noch nicht eingelöst wurde. „Allein die Übersendung eines Schecks lässt noch keine Erfüllung eintreten, da es sich nicht um eine Leistung an Erfüllung statt, sondern nur um eine Leistung erfüllungshalber handelt. Erfüllung tritt erst mit Gutschrift ein.“, so das Amtsgericht Weißenburg i.Bay. expressis verbis mit Urteil vom 14.09.2012 zum Aktenzeichen 2 C 764/11.

Was rät der Anwalt?

Wer auf Augenhöhe mit den Versicherern agieren und nicht alles klaglos hinnehmen will, muss juristischen (Anwalt) und technischen (Kfz-Sachverständiger) Sachverstand „einkaufen“. Nur so wird die vollständige Schadenserfassung und -regulierung gewährleistet. Die Kosten sind vom unfallgegnerischen Versicherer im Rahmen der Haftung zu erstatten. Spätestens mit Erhalt des Verrechnungsschecks sollte ein spezialisierter Anwalt kontaktiert werden.

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de

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