Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG) hat mit Urteil vom 29.11.2011 (Az.: 4 U 3/11-2) in einem Fall entschieden, bei dem eine knapp 40-jähriger Fußgängerin mit einem 14-jährigen Radfahrer zusammengestoßen ist und den Minderjährigen später auf hohen Schadensersatz und Schmerzensgeld für ihre Verletzungen verklagt hat. Zum Unfall kam es, als die Klägerin, als Fußgängerin eine Straße und den dazugehörigen Radweg überqueren wollte. Beim Zusammenstoß auf dem Radweg erlitt die Klägerin starke multiple Prellungen, eine Steißbeinprellung und LWS-Prellung und Gangstörungen unklarer Genese. Sie trägt vor, dass der Beklagte den Radweg mit seinem Fahrrad mit erhöhter Geschwindigkeit befahren habe. Sie habe durch den Unfall eine Lähmung erlitten, die dazu führe, dass sie sich nur noch mit Gehhilfen fortbewegen könne und sie arbeitsunfähig sei. Dagegen wird vorgebracht, dass die Klägerin beim Betreten des Radweges den Vorrang des fließenden Verkehrs habe beachten müssen. Zudem sei wegen der vor dem Unfall bestehenden körperlichen Behinderung der Klägerin nicht auszuschließen, dass etwaige vorhandene gesundheitliche Beeinträchtigungen gar nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Verfahren vor dem OLG ging es um die vom Beklagten gefahrene Geschwindigkeit und die Frage der Fahrlässigkeit des Minderjährigen. Aber auch das OLG gab dem Minderjährigen Recht, weil ihn kein Verschulden trifft. Es sei nicht erwiesen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem Radweg von 20 km/h (§ 41 Abs. 1 StVO) überschritten hat. Dagegen sprechen die geringen Verletzungen der Beteiligten und der geringe Schaden am Fahrrad. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 StVO vor. Danach wäre der Radfahrer gehalten gewesen, seine Geschwindigkeit so weit herabzusetzen, dass er sein Fahrzeug sicher beherrscht und innerhalb einer überschaubaren Strecke anhalten kann, wenn er sich einer voraussehbaren Gefahrenlage nähert. Nach Ansicht des OLG kann es offen bleiben, ob der Radfahrer die Klägerin und eine Zeugin auf dem Bürgersteig stehen gesehen hat, weil der Vorwurf eines Sorgfaltsverstoßes umso weniger gerechtfertigt ist, wenn das jugendliche Alter des Beklagten berücksichtigt wird. Ein eventuelles Verschulden des zurzeit des Unfalls erst 14-jährigen Beklagten sei am Maßstab des § 828 Abs. 3 BGB zu bestimmen. Das OLG dazu wörtlich: „Ein 14-jähriger Junge, der mit seinem Fahrrad auf dem Radweg fährt, wird im Regelfall nicht die Einsicht eines Erwachsenen besitzen und damit rechnen, dass eine Gruppe Erwachsener unter Missachtung selbst elementarer Sorgfaltsanforderungen auf die Fahrbahn tritt. Er wird stattdessen – mehr als erwachsener Verkehrsteilnehmer – auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Erwachsenen vertrauen …. In der Haftungsabwägung nach § 254 Abs. 1 BGB träte die Verantwortlichkeit des Beklagten vollständig hinter das grobe Verschulden der Klägerin zurück, die blindlings und unter Missachtung der Vorfahrt auf die …Straße trat…“. Das OLG macht deutlich, dass Minderjährige im Straßenverkehr besonders schutzwürdig sind. Sollte es zu einer Inanspruchnahme eines Kindes nach einem Verkehrsunfall kommen, so ist den Eltern zu raten, sich grundsätzlich an einen Verkehrsanwalt zu wenden.