Ein Fahrverbot darf selbst bei objektiv schwerwiegend eingestuften Verkehrsordnungswidrigkeiten nur ausgesprochen werden, wenn auch im Einzelfall ein subjektiv besonders verantwortungsloses Verhalten des Betroffenen bejaht werden kann. Subjektiv ist damit eine gesteigerte Fahrlässigkeit des Betroffenen erforderlich. Dies bedeutet, dass bei einfacher Fahrlässigkeit unter Umständen die Voraussetzungen zur Verhängung eines Fahrverbotes nicht vorliegen. Es sind dies die Fälle des sog. Augenblicksversagens.
Ein Augenblicksversagen liegt vor, wenn der Betroffene ein Geschwindigkeitsbeschränkendes Schild aufgrund einfacher Fahrlässigkeit übersieht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der ortsfremde Betroffene ein Ortseingangsschild nicht erkannt hat und die Art der Bebauung nicht auf eine geschlossene Ortschaft hindeutet. Ebenso verhält es sich mit einer Tempo 30-Zone, bei der die Straßenführung nicht auf die besondere Geschwindigkeitsbegrenzung hindeutet. Übersieht der Betroffene also infolge einfacher Fahrlässigkeit die Gefährlichkeit der Verkehrssituation, kann aufgrund Augenblickversagens von einem Fahrverbot abgesehen werden.
Damit durch die Behauptung des Augenblickversagens kein Missbrauch verübt wird, hat der Bundesgerichtshof ein Prüfschema entwickelt:
- Kann Verkehrszeichen vom Teilnehmer im Allgemeinen wahrgenommen werden
- Ist Fahrer ortskundig, kann das Übersehen des Verkehrszeichens widerlegt werden
- Geschwindigkeitsbegrenzung musste sich für Verkehrsteilnehmer aufdrängen (Baustellenbereich, örtliche Bebauung, mehrfache Beschilderung)
- Fehlt jegliche Einlassung des Betroffenen, muss der erkennende Richter sich nicht mit einem Augenblicksversagen auseinandersetzen
Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Augenblicksversagen von Anfang an ausscheidet und nur als reine Schutzbehauptung gewertet werden kann. So kann sich der Betroffene nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, wenn er aufgrund eines Telefonats mit eine Handy abgelenkt war und die Beschilderung übersehen hat. Auch wenn der Betroffene sich mit einem Beifahrer angeregt unterhalten hat und hierdurch nicht aufmerksam auf die Beschilderung geachtet hat, scheidet ein Augenblicksversagen grundsätzlich aus.
Dieser Beitrag wird in Kürze fortgesetzt. Lesen Sie im dritten Teil, wann wegen besonderer Härten oder beruflichen Nachteilen (Kündigung/Existenzgefährdung) von einem Fahrverbot abgesehen werden kann.
Autor:
Rechtsanwalt Felix Meißner, LL.M. Fachanwalt für Versicherungsrecht
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