Zum Thema Verkehrsunfälle zwischen Kraftfahrzeugen und Fahrrädern hat das Landgericht Itzehoe eine weitere Entscheidung mit Urteil vom 30. April 2010 getroffen und damit die Rechtsprechung in diesem Bereich konsequent fortgeführt.
Im vorliegenden Fall folgte ein Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug nebst Wohnanhänger einem Radfahrer. Der Kraftfahrer setzte zum Überholen an und überfuhr dabei die vorhandene durchgezogene Mittellinie. Im Anschluss an das Überholmanöver kam der Radfahrer zu Fall und verletzte sich schwer. Das Gericht entschied, dass der Kraftfahrer die Alleinschuld an diesem Unfall trifft.
Der Beklagte (Kraftfahrer) hat den geschädigten Radfahrer unter Überfahren der durchgezogenen Mittellinie überholt, obwohl sich der Radfahrer darauf verlassen durfte, dass ein nachfolgender Kraftfahrer ihn nicht überholt, weil dies bei dem gebotenen seitlichen Abstand nur durch Inanspruchnahme des abgegrenzten Fahrsteifens möglich ist. Zwar schützt die durchgezogene Mittellinie als Fahrstreifenbegrenzung in erster Linie den Gegenverkehr. Sie bezweckt aber auch, dass nur rechts von der Linie gefahren wird. Es schützt eine solche Markierung auch das Vertrauen des Vorausfahrenden, nicht mit einem Überholtwerden rechnen zu müssen.
Mit diesem Urteil wird die bisherige Rechtsprechung konsequent fortgeführt. Die durchgezogene Mittellinie verbietet zwar nicht das Überholen. Ein Radfahrer darf aber darauf vertrauen, dass ein nachfolgender Kraftfahrer ihn nicht überholt, wenn dies bei dem gebotenen seitlichen Abstand nur unter Inanspruchnahme des abgegrenzten Fahrsteifens möglich ist (so bereits BGH, VI ZR 66/86).
Ein Kraftfahrer hat grundsätzlich mindestens 1,5 Meter Seitenabstand zu halten. Bei Steigungen ist der einzuhaltende Abstand mit mindestens 2 Metern wesentlich größer. Der zuvor beschriebene Seitenabstand ist gesetzlich nicht genau geregelt. Die Straßenverkehrsordnung spricht vielmehr von einem ausreichenden Seitenabstand. Auch der Radfahrer sollte einen ausreichenden Sicherheitsabstand vom rechten Fahrbahnrand und insbesondere von parkenden Kraftfahrzeugen einhalten. Nach Ansicht des Berliner Landgerichts (schon älter: 24 O 466/95) muss der Abstand so zu bemessen sein, dass den Radfahrer eine sich öffnende Autotür nicht in eine Gefahrensituation bringen kann. In der Praxis dürfte dies selten der Fall sein.
Trotz der eindeutigen Anforderungen an Kraftfahrern und Radfahrern gibt es keine allgemeinverbindliche Aussage über die Haftung. Diese muss im konkreten Einzelfall anhand der verschiedenen Umstände geprüft werden, um eine Haftungsverteilung beurteilen zu können.
Über den Autor: Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes für Verkehrsrecht e.V. Und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht in Berlin. Rechtsanwalt Thomas Brunow hilft Geschädigten nach Verkehrsunfällen und Betroffenen nach Verkehrsverstößen schnell und unbürokratisch.
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Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Partner der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner Berlin, Eichendorffstraße 14, 10115 Berlin