OLG Köln: Das Vorfahrtsrecht gilt grundsätzlich auf der ganzen Straßenbreite

Das OLG Köln (OLG) hat mit Urteil vom 07.12.2010 (Az.: 4 U 9/09) über einen Fall entschieden, der sich täglich tausend Mal auf unseren Straßen inner- und außerorts ereignet und oft mit einem Unfall endet: Aus einer nicht vorfahrtsberechtigten Straße kommend biegt ein Autofahrer in eine Hauptstraße nach rechts ab. Bei seinem Blick nach links erkennt er, dass seine Spur frei ist, er biegt sodann ab und stößt auf seiner Fahrspur mit einem dort entgegenkommenden Kfz zusammen, das gerade ein anderes Auto überholt. So war es auch bei dem vom OLG entschiedenen Fall. Der Kläger überholte frühmorgens außerorts einer Vorfahrtstraße – zulässige Höchstgeschwindigkeit dort 100 km/h – auf gerader Strecke einen Pkw und einen Linienbus. Während sich der Kläger bei diesem Überholvorgang auf der Gegenfahrbahn befand, bog der Beklagte aus der nicht bevorrechtigten Seitenstraße nach rechts ein und kollidierte mit dem Kläger, welcher sich sehr schwer verletzte. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Unfall durch eine Vorfahrtsverletzung verursacht. Der Beklagte meint, dass ein Vorfahrtsverstoß nicht vorliege. Dem Kläger sei zudem eine Mithaftung anzurechnen, da er bei herrschender Dunkelheit mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholt habe. In erster Instanz ist der Beklagte mit dieser Argumentation noch durchgedrungen. Nach Ansicht des Landgerichts Bonn traf auch den Kläger ein hälftiges unfallursächliches Verschulden. Dem Kläger wurde ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorgeworfen, wonach ein Überholen bei unklarer Verkehrslage unzulässig ist. Die Unklarheit ergab sich nach Ansicht des Gerichts erster Instanz daraus, dass der Kläger nicht genau voraussehen konnte, was sich in dem Verkehrsraum, den er zum Überholen der zwei Fahrzeuge benötigte, ereignen würde und dass ein Wartepflichtiger gefährdet werden könnte. Das OLG hat diese Ansicht zurückgewiesen und dem Kläger zu 100% Recht gegeben. Eine unklare Verkehrslage liege im Fall nicht vor, auch wenn im Überholbereich auf der linken Straßenseite eine untergeordnete Straße einmündet und dort ein wartepflichtiger Pkw steht.

Der Fall zeigt einerseits, dass das OLG davon ausgeht, dass bei klarer Verkehrslage im Bereich von Straßeneinmündungen kein generelles Überholverbot besteht. Andererseits zeigt der Fall aber auch, wie kompliziert die Beurteilung der Situation ist und dass die Beratung durch einen Verkehrsanwalt immer angezeigt ist.

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