Verkehrsrecht Saarland: Aufwendungsersatz im Rahmen einer Rückabwicklung eines KFZ-Kaufvertrages auch bei Selbstbeseitigung eines Mangels – Urteil des OLG SB vom 12.10.2022

Das Problem:

Grundsätzlich hat ein Käufer nicht das Recht, vom Verkäufer Ersatz der Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, wenn er den Mangel selbst beseitigt hat.

Das Urteil:

Von diesem Grundsatz gibt es freilich Ausnahmen.

Eine oder eigentlich sogar mehrere Ausnahmen betrafen den von uns bearbeiteten Fall:

Im Einzelnen führt das Gericht wie folgt aus:

„Vorliegend kann dahinstehen, ob die Reparatur zur Beseitigung eines Mangels im Gewährleistungsrechtlichen Sinne erforderlich war. Soweit vertreten wird, dass es ebenso an der Erforderlichkeit der konkret vom Schuldner getätigten Aufwendung fehlt, wenn Reparaturen zur Mängelbeseitigung ohne Einhaltung der gewährleistungsrechtlichen Vorgaben zur Zulässigkeit der Selbstvornahme vorgenommen werden (BeckOGK/Schall, aaO., Rdnr. 73), ist bereits fraglich, ob dies auch in einem Fall wie dem vorliegenden zu gelten hat, in dem die Aufwendungen im Vertrauen auf den Fortbestand des Vertrages getätigt werden, bevor der davon unabhängige Rücktrittsgrund, auf den der Rücktritt dann später gestützt wird, bekannt geworden ist. Denn vorliegend ist dem Kläger nach seinem unstreitig gebliebenen Vortrag die Abweichung der Laufleistung des Fahrzeuges, auf die der Rücktritt gestützt wird, erst bekannt geworden, nachdem er aufgrund des Motorschadens bereits tätig geworden war und weitere Nachforschungen angestellt hat. Jedenfalls müsste aber – anders als das Landgericht annimmt- auch davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Beklagten zwecks Nachbesserung kontaktiert hat und der Beklagte eine solche verweigert hat, mit der Folge, dass es einer weiteren ausdrücklichen Fristsetzung als Voraussetzung einer Selbstvornahme nicht bedurfte. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ein telefonisches Nachbesserungsverlangen seitens des Klägers vom 21.04.2020, 16:45 Uhr, am Folgetag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe das Fahrzeug als Händler gekauft und damit sei eine Gewährleistung nicht gegeben. Weitere Telefonate habe es am 22.04.2020, 9:56 Uhr, 11:18 Uhr, 11:50 Uhr, 14:39 Uhr und 15:07 Uhr gegeben. Der Beklagte hat hierzu zunächst mit Schriftsatz vom 04.06.2020 ausdrücklich bestritten, dass er mit dem Kläger hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeuges vor dem Eingang des Schreibens vom 04.06.2020 telefonisch Kontakt gehabt habe. Nach Vorlage der Einzelverbindungsnachweise durch den Kläger hat er dann schließlich behauptet, die Telefonate hätten sich ausschließlich auf die noch zu übersendende Vertragsurkunde bezogen. Auch unter Berücksichtigung des aus der persönlichen Anhörung der Parteien gewonnenen Eindrucks wertet der Senat diesen Vortrag als Schutzbehauptung. Weder belegt die von ihm vorgelegte WhatsApp Nachricht des Klägers bzw. E-Mail des Beklagten (Bl. 131f. d.A.) die Richtigkeit seines Vortrags, noch haben sich aus der Anhörung der Parteien Anhaltspunkte ergeben, daran zu zweifeln, dass der Kläger -entsprechend seines Vortrages und seiner Anhörung- in den Gesprächen mit dem Beklagten im unmittelbaren Anschluss an die durch den – 13 – Pannenbeleg des ADAC dokumentierten Motorprobleme diese auch angesprochen hat. Selbst wenn man das Vorliegen notwendiger Verwendungen bzw. einen entsprechenden Ersatzanspruch gemäß § 347 Abs. 2 S. 1 BGB verneinte, ergäbe sich jedenfalls ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Reparaturkosten gemäß § 347 Abs. 2 S. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes anderer Aufwendungen, durch die der Beklagte bereichert wird. Gegenüber „Verwendungen“ handelt es sich bei „Aufwendungen“ um den weitergehenden Begriff; denn (notwendige wie nützliche) „Verwendungen“ sind lediglich ein Unterfall der „Aufwendungen“. Aufwendungen sind alle zweckbestimmten freiwilligen Vermögensopfer im Interesse eines anderen, mithin freiwillige Investitionen. Im Unterschied zu den Verwendungen müssen Aufwendungen also nicht dem Leistungsgegenstand zugutekommen, insbesondere nicht dessen Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung dienen (MüKoBGB/Gaier, aaO., Rdnr. 22; BeckOGK/Schall aaO., Rdnr. 85ff.; Faust in: Herberger/ Martinek/ Rüßmann/ Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 347 BGB (Stand: 01.02.2020), Rdnr. 56, 61). Die geltend gemachten Reparaturkosten stellten jedenfalls solche freiwilligen Investitionen des Klägers dar. Die in Abs. 2 S. 2 geforderte Bereicherung des Gläubigers durch die vom Schuldner getätigten Verwendungen ist vorliegend ebenfalls gegeben. Für die Beurteilung, ob der Gläubiger durch die Aufwendung des Schuldners kausal einen Vermögensvorteil erlangt hat, kommen im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte in Betracht. Zum einen kann die Aufwendung unmittelbar zu einem Wertzuwachs am herauszugebenden Leistungsgegenstand geführt haben (wertsteigernde Aufwendungen), zum anderen kann die Aufwendung kausal für die Erzielung von Nutzungen gewesen sein, die der Gläubiger nun einfordern kann (nutzungsermöglichende Aufwendungen). Aufwendungen im letztgenannten Sinne stellen eine Bereicherung beim Gläubiger dar, soweit sie kausal für die Ziehung von Früchten oder Gebrauchsvorteilen sind, welche der Gläubiger vermöge des § 346 Abs. 1 Alt. 2 herausverlangen kann und ohne die Aufwendungen nicht hätte – 14 – (BeckOGK/Schall, aaO., Rdnr. 92ff.; Faust in: jurisPK-BGB, aaO., Rdnr. 62ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 6 U 564/08 –, juris, Rdnr. 45). Vorliegend war das Fahrzeug ausweislich des Pannenbelegs des ADAC vom … nicht mehr fahrbereit, so dass der Kläger ohne die durchgeführte Reparatur das Fahrzeug nicht weiter hätte nutzen und die tatsächlich zurückgelegten weiteren 36.184 km (165.971 km -129.787 km) nicht mehr hätte fahren können. Demgemäß ist der Beklagte jedenfalls durch die vom Kläger zu zahlende Nutzungsentschädigung bereichert, soweit diese auf der nach der Reparatur noch tatsächlich zurückgelegten Kilometerleistung beruht, mithin in Höhe eines Betrages von 6.545,69 €. Eine Bereicherung des Beklagten liegt jedoch auch betreffend die darüberhinausgehenden Reparaturkosten gemäß Rechnung vom … vor, da er hinsichtlich der ausgetauschten Fahrzeugteile einen später notwendigen Austausch auf eigene Kosten erspart hat. Zu den Aufwendungen mit einem unmittelbaren Wertzuwachs am Leistungsgegenstand zählt nämlich die Vornahme nützlicher Verwendungen oder zustandsverändernder Aufwendungen. Die Ermittlung der Bereicherung hat hier vom objektiven Bereicherungsbegriff auszugehen, d.h. dass es in einem ersten Schritt auf den objektiv feststellbaren Vermögenszuwachs ankommt, nicht darauf, ob dieser dem Gläubiger auch „recht“ ist, dh. sich mit seinen subjektiven Nutzungszwecken bezüglich des Leistungsgegenstandes vereinbaren lässt (z.B. unerwünschtes sportliches Tuning eines Privat-Kfz). Zu einem objektiven Vermögenszuwachs führen grundsätzlich auch Aufwendungen zur Mängelbeseitigung in unberechtigter Selbstvornahme.“

Das Aktenzeichen werden wir zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen.

Über den Autor:

Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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