Wichtiges Grundsatzurteil zu Kürzungen einer Reparaturrechnung infolge der Reparatur eines Unfallschadens. Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger ab Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat (Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22.10.2021 – AZ: 13 S 69/21).

Der Problem:

Viele Versicherer gehen vermehrt dazu über, auch bei konkreter Abrechnung, d.h. bei Vorlage einer Reparaturrechnung, die Zahlungen aufgrund von Kürzungsberichten von Carexpert, ContolExpert, Dekra usw. zur kürzen, obwohl der BGH in ständiger Rechtsprechung betont, dass derartige Streitigkeiten nicht „auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen“ werden dürfen, was bei dieser Regulierungspraxis freilich der Fall ist.

Oftmals geht es um die Positionen Beilackierung, Verbringungskosten, Desinfektionskosten u.a..

Das Urteil:

Die verkehrsrechtliche Berufungskammer des Landgericht Saarbrücken hat die Rechtslage für Geschädigte – völlig zurecht – dadurch erheblich erleichtert, dass die Reparaturrechnung in den meisten Fällen auch dann ein Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt, wenn diese Rechnung noch nicht bezahlt wurde.

Im Einzelnen führt das Gericht u.a. wie folgt aus:

„Die Beklagte trägt zudem auch im Falle einer unbezahlten Reparaturrechnung das Werkstattrisiko. Denn den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten sind bereits dann Grenzen gesetzt, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachleuten begeben hat, sodass ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten des Betriebs nicht zur Last gelegt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544; Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590). Die Risikoverlagerung auf den Schädiger erfolgt daher bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte sich auf der Grundlage eines Schadensgutachtens berechtigterweise für die Instandsetzung entscheidet und den Reparaturauftrag erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974 – VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182; OLG Hamm, Urteil vom 24. Januar 2020 – I-9 U 100/18 –, juris; s. a. BGH, Urteil vom 04. April 2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200, 350).“

Dem BGH liegt aktuell eine Entscheidung eines anderen Gerichts in einem Parallelfall vor, so dass zeitnah mit einer Klärung zu rechnen ist, ob sich diese Rechtsprechung der Indizwirkung (auch) einer unbezahlten Reparaturrechnung durchsetzt.

Über den Autor:

Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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