Der folgende Artikel zeigt, was alle betroffenen Händler kaufrechtlich wissen und beachten sollten. Es findet keine politische und/oder wirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem VW-Abgasskandal statt. Dieser Artikel steht unter dem Vorbehalt, dass wohl neue Informationen zu erwarten sind und die Rechtslage verändern könnten.
1. Sachverhalt
Tatsache ist, dass bei Volkswagen die Abgaswerte bei bestimmten Fahrzeugtypen manipuliert wurden. Betroffen sind wohl unter anderem Motoren als Drei- oder Vierzylinder-Turbodiesel mit Direkteinspritzung („Turbocharged Diesel Injection“) und 1,6 oder 2,0 Liter Hubraum nach Euro-5-Norm. Auch eine geringe Anzahl von 1,2-Liter-Motoren sind wohl betroffen. Der VW-Konzern hat nun eine gigantische Rückrufaktion für konzerneigene Dieselfahrzeuge mit dem
Motor EA 189 gestartet. Sowohl Händler als auch Autokäufer sind verunsichert.
2. Wie ist die Rechtslage?
Um die Rechtslage genauer zu beleuchten, muss man zunächst zwischen zwei Situationen unterscheiden:
a. bereits verkaufte Fahrzeuge
b. Verträge in der Zukunft
a. bereits verkaufte Fahrzeuge
Grundsätzlich haftet man als Händler für Sachmängel zwei Jahre. Die Verjährung beginnt mit Übergabe der Sache. Bei gebrauchten Sachen ist es möglich, die Sachmängelhaftung auf ein Jahr zu verkürzen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Händler eine wirksame Klausel dazu verwendet (hat). Der Bundesgerichtshof hat im April 2015 nämlich eine Klausel des Zentralverbandes des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e. V. (ZDK) für unwirksam erklärt.
Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Mangel vorliegt. Hier kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Zum einen weil ein betroffenes Fahrzeug nicht eine Beschaffenheit aufweist, „die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann“ (§ 434 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 BGB)
Zum anderen weil die betroffenen Fahrzeuge nach § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB nicht die Beschaffenheit aufweisen, wie die öffentlichen Äußerungen des Herstellers in der Werbung. Glücklicherweise verfügen die betroffenen Fahrzeuge über eine Betriebserlaubnis, so dass eine fehlende Betriebserlaubnis als Mangel derzeit noch ausscheidet. Für die Frage, ob ein Sachmangels im Sinne des § 434 BGB vorliegt ist die Beschaffenheit der Sache ausschlaggebend. Unerheblich ist, ob dem Verkäufer der Mangel bekannt war; auch ein Verschulden ist nämlich nicht erforderlich.
Wenn ein Sachmangel vorliegt, hat der Käufer einen Anspruch auf Nacherfüllung. Der Händler muss den Mangel somit beheben. Eine Ersatzlieferung ist zwar theoretisch denkbar, aber in der Praxis fast ausgeschlossen, da es an der notwendigen Spezifikation fehlen dürfte.
Dieser Mangel müsste auch erheblich sein. Die Rechtsprechung hat dies bei erhöhtem Benzinverbrauch erst ab einem „Mehrverbrauch“ von 5% angenommen. Ob dies hier der Fall ist, ist derzeit noch nicht bekannt.
Wenn man unterstellt, dass hier ein erheblicher Sachmangel vorliegt, müsste die Nacherfüllung für den Käufer zumutbar sein. Ab wann eine Nacherfüllung möglich ist und wie lange diese dauern soll, ist ebenfalls noch unklar. Nach einigen Berichten soll ein Softwareupdate genügen. Kann der Mangel dadurch beseitigt werden, dass die Abschalteinrichtung nachträglich beseitigt oder so deaktiviert wird, dass in EU-Rechts-konformer Weise keine negative Beeinträchtigung des Emissionskontrollsystems mehr vorliegt, dürfte bezogen auf den konkreten Mangel eine wirksame Nachbesserung vorliegen. Sollte durch die Nacherfüllung der Verbrauch oder eine andere Eigenschaft beeinträchtigt werden, müsste man prüfen, ob ein neuer Mangel vorliegt.
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die Nacherfüllung für den Käufer nicht zumutbar ist oder für den Händler nicht möglich ist, dann kann der Käufer
- den Kaufpreis mindern,
- Schadenersatz verlangen oder
- vom Vertrag zurücktreten (und Schadenersatz verlangen).
Die Höhe der Minderung ist eine Verhandlungssache und erfordert kaufmännisches Geschick. Ein Verschulden des Verkäufers ist hier nicht erforderlich.
Der Käufer kann nur Schadenersatz verlangen, wenn den Händler ein Verschulden trifft. Dies wird zwar gesetzlich vermutet, aber hier wohl nicht der Fall, so dass ein Schadenersatzanspruch wohl nicht gegeben sein dürfte.
Schließlich kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Er muss sich die bis dahin gefahrenen Kilometer –als gezogene Nutzungen– anrechnen lassen. Dafür gibt es eine Rechenformel. Ein Verschulden des Verkäufers ist hier nicht erforderlich.
b. Verträge in der Zukunft
Auch hier liegt zunächst ein Mangel vor (siehe oben 2. a).
Dieser Mangel ist auch offenbarungspflichtig. Ansonsten könnte man dem Händler Arglist vorwerfen. In solch einem Fall hilft die Verjährung der Sachmängelansprüche nicht weiter, da der Händler hier schärfer –also länger-haftet. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Die Anfechtung muss anschließend innerhalb eines Jahres erklärt werden.
Der Händler wird sich in der Zukunft auch nicht darauf berufen können, dass der Käufer den Abgasskandal und die damit verbundene Manipulationen kennt bzw. hätte kenne müssen (dann wäre § 442 BGB einschlägig, danach sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt).
Fazit:
Kauft ein Käufer in Zukunft ein Fahrzeug mit dem o.g. Mangel, ohne diesen zu kennen, hat er alle oben genannten Rechte.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn man mit dem Käufer eine gesonderte Vereinbarung schließt. Möglich wäre, den Käufer vollständig aufzuklären und ihm eine kostenlose Nachrüstung anzubieten (sobald dies technisch ist) und ihn auf die damit möglichen Veränderungen sowie Nachteile hinzuweisen.
Ob und wie der oben bezeichnete Mangel zu beheben ist, wird sich zeigen. Weitere rechtliche Prognosen sind daher erst möglich, wenn feststeht, ob und in welchem Zeitraum der Mangel tatsächlich behoben werden kann.
Berlin, 3. November 2015
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkerhsrecht