Darf der Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt das Mobiltelefon benutzen?

Die einen sagen so und die anderen sagen so. Letztlich hängt die Beantwortung der Frage davon ab, ob der Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt, mithin auf dem Beifahrersitz, als „Fahrer“ anzusehen ist. Das OLG Düsseldorf hat dies in 2013 verneint, während das OLG Bamberg dieselbe Frage in 2009 bejaht hat. Das OLG Karlsruhe hat die Frage nunmehr dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Die Antwort steht noch aus.

Verstärkte Bedeutung haben die Handyverstöße v.a. auch durch die Reform des Punktesystems erfahren. Diese werden zwar nach wie vor mit einem Punkt bewertet, allerdings wird die Fahrerlaubnis nunmehr bereits bei acht Punkten (und nicht wie vor der Reform zum 01.05.2014 erst bei 18 Punkten) entzogen. Für den Fahrlehrer geht es also um existenzielle Fragen und das macht die Rechtsunsicherheit umso ärgerlicher.

Nach diesseitigem Dafürhalten überzeugen die Ausführungen des OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 04.07.2013 zum Az.IV-1 RBs 80/13, 1 RBs 80/13. Im Wesentlichen begründet Düsseldorf den Freispruch wie folgt:
Das Gesetz hält sich weitestgehend bedeckt. Nur § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG setzt bei Ausbildungsfahrten den Fahrlehrer „im Sinne dieses Gesetzes“ dem Führer des Kraftfahrzeugs gleich. Die Vorschrift dient jedoch dem Schutz des Fahrschülers, indem sie ihn vor einer Strafbarkeit gemäß § 21 StVG bewahrt und an seiner Stelle den Fahrlehrer der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nach § 18 StVG unterwirft. Der Fahrschüler soll die erforderliche Fahrerlaubnis erst noch erwerben und dabei als Lernender – zu Lasten einer Verantwortlichkeit des ihn begleitenden Fahrlehrers – haftungsrechtlich privilegiert werden.
Überdies ist § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO ein eigenhändiges Delikt, kann mithin an und für sich nur durch denjenigen verwirklicht werden, der das Fahrzeug in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt. Ein Führen allein „durch Worte“ reicht hierfür regelmäßig nicht aus, so dass der eine Ausbildungsfahrt nur mündlich anleitende Fahrlehrer regelmäßig nicht als „Fahrzeugführer“ angesehen wird; anders jedoch dann, sobald er händisch in die Steuerung des Wagens eingreift .
Der gegenteiligen Ansicht, der Fahrlehrer sei bei der Begleitung einer Ausbildungsfahrt schon aufgrund seiner Beobachtungs- und Kontrollpflichten in Verbindung mit der bloßen Möglichkeit einer manuellen Beeinflussung als Fahrzeugführer anzusehen (so z.B. das OLG Bamberg in 2009), erteilt das OLG Düsseldorf eine explizite Absage mit Hinweis darauf, dass dann die Grenzen einer zulässigen Normauslegung überschritten sind. Dies zumal der Verordnungsgeber mit dem Verbot der Handynutzung lediglich sicherstellen wollte, dass der Fahrzeugführer „beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat“.

Das OLG Karlsruhe tritt dem mit Vorlagebeschluss vom 20.02.20143 SsRs 607/13, 3 SsRs 607/13 – AK 220/13 entgegen:

Für die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung bzw. auf die Strafnorm des§ 21 StVG wird „keine greifbarer Anhaltspunkt“ gesehen. Auch wird die Differenzierung zwischen „Mitfahren beim Fahrschüler“ und „händischem Eingriff in die Steuerung des Wagens“ als nicht abgrenzbar angesehen. Ergänzt wird: „Auch vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass die Bejahung der Vorlegungsfrage zu dem untragbaren Ergebnis führe, dass der Fahrschüler, der eigenhändig (…) mobil telefoniert, nicht (…) verfolgt werden könnte, weil „ausschließlich“ der Fahrlehrer aufgrund gesetzlicher Fiktion als Führer des Kraftfahrzeugs anzusehen wäre (…). Einerseits könnte es als sachgerecht angesehen werden, den Fahrschüler überhaupt nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne des Strafverkehrsgesetzes (…) zu behandeln; (…) es läge nach Auffassung des Senats andererseits aber auch nicht fern, (…) sowohl den Fahrschüler als auch den Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt zumindest ordnungswidrigkeitsrechtlich (…) als Kraftfahrzeugführer zu qualifizieren.

Damit zeigt Karlsruhe das Problem der eigenen Rechtsansicht plastisch auf. Auch nach diesseitigem Dafürhalten geht von einem telefonierenden Fahrlehrer eine nicht unerhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit aus, die gerade mit Blick auf dessen Rolle sanktionswürdig scheint; die Sanktionierung ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser hat zu bestimmen, was konkret ordnungswidrigkeitsrechtlich relevant ist. Unklarheiten im Gesetz müssen dann zum Freispruch führen.
 

_________________________________

Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de

_______________________________________________________