Sachverständigenkosten und Bagatellschadensgrenze

Sind die Kosten eines Kfz-Sachverständigen bei unverschuldeten Verkehrsunfall stets von der Haftpflichtversicherung des Schädigers zu erstatten? Einigkeit besteht dahingehend, dass dies bei einem Bagatellschaden nicht der Fall ist. Die Einigkeit endet jedoch bei der Bestimmung dieser Bagatellschadensgrenze. 

Im Ausgangspunkt sind die Kosten für ein Sachverständigengutachten grundsätzlich  dem Geschädigten durch den Schädiger zu ersetzen. Eine Ausnahme gilt nur für Bagatellschäden. Wann ein solcher vorliegt, ist umstritten. Der BGH hat sich zwar schon geäußert, jedoch  lediglich dagegen verwehrt, ausschließlich auf die Schadenhöhe abzustellen. Maßgeblich ist das sog. Wirtschaftlichkeitspostulat. Danach muss der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten die günstigste wählen. Für Bagatellschäden bedeutet das, der Geschädigte bekommt Sachverständigenkosten nicht erstattet, wenn sich ein wirtschaftlich denkender Mensch mit einem Kostenvoranschlag begnügt hätte. Frage dann: An welchen Kriterien hätte sich ein wirtschaftlich denkender Mensch orientiert? Viele halten die Höhe der Reparaturkosten für maßgebend. Gerade die erfährt der Geschädigte jedoch erst durch das Gutachten.

Was sagen die Instanzgerichte dazu?

BGH:  Der Geschädigte weiß in der Regel nicht, wie hoch die Reparaturkosten sind, wenn er das Gutachten in Auftrag gibt. Die Schadenshöhe kann von daher nicht alleiniges Kriterium sein. Gebilligt wurde ein Schaden von 715 Euro, BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03;

LG Darmstadt: Ein Schaden von 715 Euro ist keine Bagatelle, LG Darmstadt, Urt. v. 05.07.2003 – 6 S 34/13;

AG Leipzig: Die Bagatellschadensgrenze beträgt ca. 500 Euro, AG Leipzig, Urt. v. 16.12.2008 – 103 C 6358/08;

AG Nürnberg: Die Bagatellschadensgrenze beträgt ca. 700 Euro, AG Nürnberg, Urt. v. 09.06.2008 – 22 C 2591/08;

AG Ansbach: Es kommt es auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung an. Die Bagatellschadensgrenze beträgt ca. 700,00 €, AG Ansbach, Urteil vom 23.10.2012, Az: 3 C 797/12;

AG München: Kosten für ein Sachverständigengutachten bei einem Blechschaden (Reparaturkosten ca. 840 Euro netto) sind regelmäßig nicht erstattungsfähig, Urteil vom 04.04.2014 – 331 C 34366/13

etc.

Was rät der Anwalt?

Sofort zum Anwalt! Der Geschädigte kann regelmäßig nicht abschätzen, welcher Schaden eingetreten ist. Insoweit ist er auf die Hilfe eines Anwaltes und eines Sachverständigen angewiesen. Letzterer kann oft bereits „auf den ersten Blick“ sehen, ob nur eine Bagatelle vorliegt. Dies spätestens dann, wenn ihm der Geschädigte den Unfallhergang kurz dargestellt hat.

Repariert der Geschädigte nur auf Basis eines Kostenvoranschlages, besteht immer das Risiko, dass der Schaden nicht mehr bewiesen werden kann. Ein Kostenvoranschlag bietet nicht die gleiche Richtigkeitsgewähr wie ein Sachverständigengutachten.

 

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de

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