400 Euro Schmerzensgeld für Migräneanfall nach Auffahrunfall – Rechtsanwalt Michael Schmidl www.anwaltschmidl.de

Das Amtsgericht Kitzingen hat der anlässlich eines Auffahrunfalles Geschädigten ein Schmerzensgeld i.H.v. 400 Euro wegen eines unfallbedingten Migräneanfalls zugesprochen. Besonders berücksichtigt wurde, dass die Geschädigte durch den unfallgegnerischen Kraftfahrthaftpflichtversicherer quasi als Simulantin hingestellt wurde, AG Kitzingen, Urteil vom 16. Mai 2014, Az. 2 C 470/12.

Der Sachverhalt: Bei unstreitiger Haftung der Beklagten stritten die Parteien noch über den Schmerzensgeldanspruch sowie den Haushaltsführungsschaden. Bei der Untersuchung im Klinikum noch am Unfalltag wurde eine HWS Distorsion diagnostiziert und die Klägerin für einen Zeitraum von zwölf Tagen arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Die Beklagten haben den unfallbedingten Eintritt einer Primärverletzung substantiiert bestritten und insoweit insbesondere auch auf die geringe Geschwindigkeitsänderung verwiesen.

Die Entscheidung: Nach Erholung eines technischen und eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch das Gericht stand fest, dass das gegenständliche Unfallgeschehen nicht dazu geeignet war, die ursprünglich diagnostizierte HWS Verletzung bei der Klägerin herbeizuführen. „Die Entstehung von Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule infolge einer Heckkollision setzen eine Überschreitung der individuellen Belastbarkeitsgrenze des betroffenen Insassen voraus.“ Dies ist Retrospektive nicht mehr zu ermitteln, so dass man es sich aus wissenschaftlichen Versuchen gewonnener Erfahrungswerte, die als Grenzbereiche zu verstehen sind, bediene. Auch eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit auf Seiten der Klägerin konnte ausgeschlossen werden.

Allerdings konnte der gerichtlich bestellte Sachverständige erkennen, dass die „bei der Klägerin im Rahmen der Erstbehandlung geschilderten Beschwerden ohne weiteres auf eine Migräne, für die die Klägerin anfällig ist, hinweisen. Insoweit war der Verkehrsunfall für die Klägerin so Stress belastet, dass eine plötzliche Änderung im Stressniveau zu einem plötzlichen Migräneanfall geführt hat. In dieser Folge ist auch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit für den Sachverständigen nachvollziehbar. Das Gutachten des Sachverständigen schließt mit der Feststellung, dass das streitgegenständliche Unfallereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit als geeignet angesehen werden muss, der Auslöser für die Migräne zu sein.“

Das Gericht hat ein Schmerzensgeld i.H.v. 400 Euro für billig und gerecht erachtet. Das Gericht hat sich hierbei „an dem Wert der im unteren Bereich einer HWS Distorsion angemessen wäre“, orientiert. Berücksichtigt wurde vor allem auch, dass „die Klägerin trotz der vorliegenden ärztlichen Nachweise quasi als simultan den hingestellt wurde. Auch die bekannte Migräneanfälligkeit der Klägerin rechtfertigt nicht, ihre Beschwerden, die eine HWS Distorsion ähneln, zu bagatellisieren.“

Anmerkung: Der Geschädigte hat den unfallbedingten Eintritt der so genannten Primärverletzung zu beweisen. Maßstab ist insoweit der Strengbeweis. Danach muss ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit erreicht werden, dass vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten wird, ohne sie jedoch vollständig auszuschließen. Erst wenn die Primärverletzung bewiesen ist, kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des so genannten Freibeweises zugute. Danach genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.

Die Klägerin konnte vorliegend die diagnostizierten HWS Distorsion nicht beweisen. Allerdings konnte sie den Vollbeweis dahingehend führen, dass der Unfall eine Migräne, für die sie anfällig ist, ausgelöst hat. Im normalen Verlauf konnte sich die Klägerin immer frühzeitig auf die sich anbahnende Migräne einstellen und entsprechend mit Medikamenten gegensteuern. Nachdem ihr dies bei dem plötzlichen Unfallgeschehen nicht möglich war, erlitt sie einen entsprechenden Migräneanfall, der seitens der Behandler – wohl mit Blick auf die Unfallschilderung – zunächst nicht als solche erkannt wurde.

Besonders hervorzuheben ist auch folgender Umstand: Das Gericht hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes explizit berücksichtigt, dass die Klägerin quasi als Simulantin hingestellt wurde.

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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