Abrechnung nach Gutachten / Verweisung auf „freie“ Wekstatt / Sonderkonditionen

Die Abrechnung nach Gutachten wird immer problematischer. Liegt das Gutachten vor, kann noch lange nicht prognostiziert werden, mit welcher Entschädigungszahlung der Geschädigte letztlich tatsächlich rechnen kann. So kann der Geschädigte durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers auf eine kostengünstigere und qualitativ gleichwertige Werkstatt verwiesen werden, wenn das verunfallte Fahrzeug älter als drei Jahre und nicht scheckheftgepflegt ist; ansonsten ist die Verweisung unzumutbar. Unzumutbarkeit ist aber auch dann gegeben, wenn die freie Werkstatt nur deshalb kostengünstiger ist, weil  vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugrunde liegen. Wann dies der Fall sein kann, hat das Landgericht München – und ihm folgend nun auch das Amtsgericht München – präzisiert wie folgt:

Stundenverrechnungssätze

„Bezüglich der Stundenverrechnungssätze muss sich die Klägerin nicht auf die beklagtenseits benannte Werkstatt verweisen lassen, da der Vortrag der Beklagtenseite diesbezüglich zu unsubsatiiert ist. Mit Schriftsatz vom (…) hatte die Klageseite ausdrücklich gerügt, dass die Beklagtenseite nicht vorgetragen hat, ob zwischen der Verweisungswerkstatt und der Beklagten zu 2) Sonderkonditionen oder sonstige vertragliche Vereinbarungen bestehen. Der bisher beklagtenseits erfolgte Vortrag, dass die geltend gemachten Stundenverrechnungssätze auch gegenüber allen Privatpersonen gelten würden, ist nicht ausreichend für eine Verweisung, da dies bereits ausgeschlossen wäre, wenn überhaupt Sonderkonditionen mit der Werkstatt bestünden.

Das Landgericht München I (Urteil vom 16.02.2012 – 19 S 24367/11) hat insoweit zutreffend ausgeführt: `Die von der Beklagten benannte Fachwerkstatt kann dabei nicht zugrunde gelegt werden, da sie der Beklagten zu 2) Sonderkonditionen einräumt, die anderen Kunden nicht eingeräumt werden. Dabei ist unerheblich, ob die Beklagte zu 2) hier ihrer Berechnung die „normalen“ Stundensätze der Firma K (…) zugrunde gelegt hat oder die speziell mit der Werkstatt vereinbarten. Es kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte zu 2) nach erfolgter Reparatur in dieser Werkstatt zwar den Geschädigten zu 100 % befriedigt, dann aber aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit der Werkstatt dort einen Teil der Reparaturkosten regressiert. Dies widerspricht der Rechtsprechung des BGH. Eine Verweisung auf diese Werkstatt ist deshalb nicht zulässig.`“

UPE-Aufschläge und Verbringungskosten

„Auch kann der Kläger die UPE-Aufschläge und Verbringungskosten ersetzt verlangen. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Diplom-Ingenieur R. steht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass derartige Kosten bzw. Zuschläge auch tatsächlich entstehen werden. Der Sachverständige legt dar, dass 100 % der markengebundenen Fachwerkstätten bei tatsächlich durchgeführter Reparatur Verbringungskosten von einer Arbeitsstunde sowie Ersatzteilpreisaufschläge in Höhe von durchschnittlich 10 % in der Region des Geschädigten verlangen.“

Anmerkung zum Urteil des Landgericht München vom 16.02.2012  zum Az. 19 S 24367/11 und des Amtsgericht München vom 25. September 2013 zum Az. 332 C 11424/12.

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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