Nachdem bereits Anfang des Jahres über die veraltete Software des ES 3.0 berichtet wurde (damals AG Gießen, Rechtsanwalt Schlemm berichtete), scheint das Problem weitestgehend behoben. Allerdings kommt es gerade bei diesem Messgerät zeitweise weiterhin zu fehlerhaften Messungen. Die Folge: Einstellung des Verfahrens.
Unser Mandant wurde im Juni 2010 mit dem Gerät ES 3.0 gemessen. Zu diesem Zeitpunkt konnte man noch Zweifel an der richtigen Software Version haben, da diese erst im Laufe des ersten Halbjahres umgestellt wurden. Auf unsere Nachfrage bei der Bußgeldstelle erhielten wir zunächst folgendes Schreiben:
…zu dem Einspruch Ihres Mandanten vom 16.08.2010 wurde nach Prüfung der Sach- und Rechtslage festgestellt, dass der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist und Ihr Mandant den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit rechtswidrig und vorwerfbar bewirkt hat. Die Messung erfolgte durch geschultes Personal mit geeichter Messtechnik…
Dabei handelt es sich ganz offensichtlich um ein Standardschreiben. Die Behörde ist mit keinem Wort auf unsere Anfrage nach der verwendeten Software eingegangen, noch wurde uns die vollständige Fotodokumentation zur Verfügung gestellt.
Anhand des Fotos in der Bußgeldakte konnte man jedoch bereits erahnen, dass die Messung nicht korrekt erfolgte.
Bereits mit Beschluss vom 16. März 2010 stellte das AG Lübben die Funktionsweise des Gerätes nachvollziehbar vor:
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…Dieses Messgerät stellt die vom gemessenen Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit dadurch fest, dass das betreffende Fahrzeug mehrere Lichtschranken in Höhe des Sensorkopfes des Messgerätes durchfährt. Der Sensorkopf wird parallel zur Fahrbahn aufgestellt und aus den im rechten Winkel über die Fahrbahn verlaufenden Lichtschranken ergibt sich die Messlinie (in Höhe Sensorkopf-Mitte). Die sogenannte „Fotolinie“ befindet sich 3 m hinter der Messlinie aus Fahrtrichtung des zu messenden Fahrzeuges gesehen.
Das Messgerät ES 3.0 löst nach einem festgestellten Geschwindigkeitsverstoß die Fotodokumentation erst mit Verzögerung aus. Die Fotolinie, welche sich ca. 3 m hinter der Messlinie befindet, und auf die die Kamera auszurichten ist, soll daher sicherstellen, dass das gemessene Fahrzeug hinreichend deutlich fotografisch dokumentiert wird.
Dies ermöglicht eine klare Zuordnung der Messung zu einem Fahrzeug, wenn mehrere Fahrzeuge in kurzem Abstand die Messlinie passieren. Das gemessene Fahrzeug befindet sich dann in der sogenannten „logischen Fotoposition“. Diese ergibt sich aus der Fotolinie, der Position des abgebildeten Fahrzeuges und der gemessenen Geschwindigkeit.
Bei der Überprüfung der logischen Fotoposition kann somit nicht nur festgestellt werden, welchem Fahrzeug ggf. eine Geschwindigkeitsüberschreitung zuzuordnen ist, sondern auch, anhand der Fahrzeugposition im Verhältnis zur Fotolinie, ob die durch das Messgerät ermittelte Geschwindigkeit schlüssig ist.
In der Bedienungsanleitung zu dem Messgerät ES 3.0 heißt es,
„[..18.2.3 Fotolinie
für eine sichere Auswertung wird eine Dokumentation der Fotolinie an der Messstelle benötigt.
Die Fotolinie ist eine gedachte Linie quer zur Fahrbahn und befindet sich ca. 3 m in Fahrtrichtung hinter dem Sensorkopf (Sensorkopfmitte)….
Diese Fotolinie muss erkennbar sein. Häufig werden hierfür Fahrbahnmakierung oder s.g. Lübecker Hütchen (Kegel) verwendet. Der Hersteller schreibt diese Vorgehensweise für dieses Gerät vor.
In unserem Fall stellte sich dann tatsächlich heraus, dass die Fotolinie fehlte bzw. nicht den Vorgaben des Herstellers entsprach. Da sich die Messbeamten entgegen der Behauptung im Messprotokoll gerade nicht an die Vorgaben des Herstellers hielten, lagen erhebliche Zweifel an der Messung vor. Auf die Frage, welche Software – Version verwendet wurde, brauchte nicht weiter eingegangen zu werden. Das Verfahren wurde eingestellt. Hätte die Behörde die Fotodokumentation im Vorfeld herausgegeben, hätte sich der Termin vor dem Amtsgericht sicherlich erübrigt.
Über den Autor: Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes für Verkehrsrecht e.V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht in Berlin. Rechtsanwalt Thomas Brunow hilft Geschädigten nach Verkehrsunfällen und Betroffenen nach Verkehrsverstößen schnell und unbürokratisch.
mehr Infos: www.verkehrsrecht-24.de
Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Partner der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner Berlin
Das ES 3.0 im Einsatz auf myvideo.de: link