Eine interessante Verteidigungsstrategie gegen den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist, die Einbeziehung elektronischer Assistenzsysteme. Wiederholt haben Kraftfahrer, denen die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgeworfen wurde, sich im Verfahren dahingehend eingelassen, ein schuldhaftes Verhalten liege nicht vor, da der Tempomat aktiviert gewesen sei. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass die Einhaltung des Tempolimits so gewährleistet sei. Die Gerichte mussten sich wiederholt mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Fahrzeugführer die Pflicht, das Tempolimit einzuhalten, auf ein Fahrassistenzsystem abwälzen kann, oder ob er dennoch verpflichtet ist, die Einhaltung des Tempolimits selbst zu kontrollieren bzw. aktiv an der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten mitzuwirken.
Bereits im Jahr 2006 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (2 Ss OWi 200/06) die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung aufrechterhalten, der sich darauf verlassen hatte, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch den eingeschalteten Tempomaten nicht überschritten wird. Tatsächlich war der Tempomat jedoch defekt, weshalb der Betroffene mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h „geblitzt“ wurde. Das OLG Hamm ging davon aus, dass der Fahrzeugführer trotz eingeschalteten Tempomats verpflichtet bleibt, die von ihm gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren und so die Einhaltung von Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten.
Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des AG Lüdinghausen vom 12.05.2014 (19 OWi 89 Js 511/14-46/14). Bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt befuhr der Autofahrer eine Landstraße unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit war auch der Tempomat aktiviert. Beim Überholmanöver bemerkte er aber im Gegenverkehr ein Fahrzeug, dass auf die Landstraße einbog. Um eine Kollision zu vermeiden, beschleunigte er und überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Nach Abschluss des Überholvorganges scherte er wieder auf die rechte Fahrbahn ein, bremste sein Fahrzeug aber nicht ab, verließ sich vielmehr darauf, dass der Tempomat weiterhin aktiv sei und das Tempo drosseln würde. Dies war nicht der Fall, weshalb er „geblitzt“ wurde.
Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene Einspruch eingelegt und damit begründet, er habe die Geschwindigkeit aufgrund einer Notstandsituation überschreiten müssen und sich dann berechtigter Weise darauf verlassen dürfen, dass der Tempomat die Geschwindigkeit wieder drossele. Dieser Argumentation ist das Amtsgericht nicht gefolgt. Zwar war es ebenfalls der Ansicht es habe eine Notstandsituation vorgelegen, die zumindest kurzfristig eine Überschreitung der Geschwindigkeit hier rechtfertige. Unmittelbar nach Beendigung dieser Aktion sei der Fahrzeugführer verpflichtet gewesen, aktiv die Einhaltung des Tempolimits wiederherzustellen. Das Gericht führt aus, dass der Betroffene als Fahrzeugführer persönlich handeln muss, er dürfte seine Verpflichtungen nicht auf ein sogenanntes Fahrassistenzsystem abwälzen. Im Gegenteil; die Verteidigung des Betroffenen führe sogar dazu, dass von einem bewussten, d. h. vorsätzlichen Überschreiten der Geschwindigkeit auszugehen sei, was zu einer Verdopplung der Geldbuße nach § 3 Abs. 4 a BKatV führe.
Auch andere Gerichte haben sich bereits in diesem Sinn positioniert. Das Argument, man habe den Tempomaten eingeschaltet und sich auf dessen Funktionstüchtigkeit verlassen, ist sicherlich nachvollziehbar. Wegen der Gefahr, dass die Gerichte in diesen Fällen von einer Vorsatztat ausgehen, ist diese Verteidigungslinie aber nicht unbedingt erfolgsversprechend. Kraftfahrer welche den Tempomaten einschalten, um die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten, sind daher gut beraten, wenn sie dessen Funktionstüchtigkeit regelmäßig überprüfen.