Kommt es zu einem Verkehrsunfall, kommt es auch sehr schnell zum Streit über die Schuldfrage. Die ausgeurteilten Haftungsquoten sind dabei für die Beteiligten nicht immer nachvollziehbar, zumal sie selbst das Unfallgeschehen mit eigenen Augen gesehen haben. Vor diesem Hintergrund erklärt sich das steigende Interesse an einer Videodokumentation des Unfallgeschehens, zumal die technischen Hilfsmittel leicht zu handhaben und auch nicht mehr allzu teuer sind. Aber sind solche Aufnahmen überhaupt zulässig und dürfen diese als Beweismittel eingesetzt werden?
Hierzu mehren sich die Entscheidungen. Neues hierzu gibt es u.a. vom AG Nienburg und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Entscheidungen des VG Ansbach sowie die divergierenden Entscheidungen des AG München wurden bereits in diesem Blog kommentiert (Dashcam, Bikecam etc.: Little Brother is watching you, too – von RA Michael Schmidl).
AG Nienburg: In einem Strafverfahren wegen Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr (Ausbremsen und Abdrängen und anschließender verbaler Auseinandersetzung) hat das Amtsgericht die von einem Zeugen angefertigte Aufnahme als Beweismittel zugelassen und ausgeführt, dass es kein generelles Beweisverwertungsverbot für solche Dashcam-Aufzeichnungen gibt. Allerdings gab es – neben den bekannten Argumenten, wie z.B. öffentlicher Raum – Besonderheiten, die das Gericht auch zur Begründung heranzog: So hatte der Zeuge die Aufnahme erst nach einem „Anfangsverdacht“ gestartet und Aufnahme war auf fünf Minuten beschränkt.
EGMR: Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasste sich mit Aufnahmen eine Detektei. Diese hatte im Auftrag eines Versicherers den späteren Beschwerdeführer bei einer Fahrt mit dem Moped im öffentlichen Verkehrsraum gefilmt. Der Versicherer wollte damit im gerichtlichen Verfahren beweisen, dass der Beschwerdeführer – entgegen seiner Behauptung – noch Fahrzeuge fahren kann. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies gebilligt. Allerdings wurde auch auf die Voraussetzungen des spanischen Rechtes bezüglich der Tätigkeit von Detekteien hingewiesen. Diese waren sämtlich eingehalten und überdies waren die Aufnahmen ausschließlich als Beweismittel vor Gericht bestimmt und auch verwendet worden.
Die Diskussion ist in vollem Gange und eine klare Linie zeichnet sich noch nicht ab. Es bleibt die Entwicklung abzuwarten.
Anmerkung zum Urteil des AG Nienberg vom 20. Januar 2015 zum Az. 4 Ds 520 Js 39473/14 und EGMR vom 27. Mai 2014 Az. 10764/09.
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Michael Schmidl, anwaltschmidl.deDer Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.Leserreaktionen an kontakt@anwaltschmidl.de
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