Schneeflöckchen, Weißröckchen, es hat nicht geschneit; du fällst aus allen Wolken, ein Hamm`er-Urteil

Ein elektronisch gesteuertes Verkehrszeichen zeigte an einer Bundesstraße Tempo 80 an. Darunter  war das Zusatzschild „Schneeflocke“:Das Zusatzschild „Schneeflocke“ gilt laut OLG Hamm nicht nur bei Schneefall

angebracht. Ein Autofahrer wurde dort geblitzt. Ihm wurden neben einem Bußgeld auch ein Fahrverbot aufgebrummt. Dagegen wehrte sich der Fahrer mit dem Hinweis, das  angeordnete Tempolimit sei irreführend gewesen. Das Gericht in Hamm folgte dem nicht. Aber kann das richtig sein?

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Kombination einer Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatzschild Schnee- und Eisglätte dazu führt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Einschränkung gilt. Es handle sich bei dem Zusatzschild nur um eine rechtlich nicht zu beachtende Erklärung über die Motivation der Straßenverkehrsbehörde. Diese solle es dem Verkehrsteilnehmer erleichtern, die Geschwindigkeitsbegrenzung zu akzeptieren.

Tatsächlich ist die Entscheidung nicht leicht nachzuvollziehen. Das Straßenverkehrsrecht muss nach Ansicht des Bayerischen Obersten Landgerichts so ausgestaltet sein, dass Verkehrseinrichtungen „[…] für einen Verkehrsteilnehmer mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit durch einen beiläufigen Blick deutlich erkennbar sind und eine möglichst gefahrlose Abwicklung des Verkehrs ermöglichen; sie dürfen weder irreführend noch undeutlich sein.“
Diesen Kriterien wird allerdings die Zeichenkombination nicht gerecht. Vielmehr wird der beiläufige Blick des Fahrers den Vergleich mit dem Zusatzzeichen „bei Nässe“ sehen. Dieses Zusatzzeichen erklärt eindeutig, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nur bei entsprechend nasser Fahrbahn gilt. Dass dies bei dem Zusatzzeichen „Schneeflocke“ anders sein soll, erklärt sich auf den ersten Blick jedenfalls nicht. Und warum im Sommer ein Schneeflockenzeichen die Akzeptanz einer Geschwindigkeitsbeschränkung fördern soll, bleibt ein Geheimnis des OLG Hamm.
Problematisch ist dies vor allem, weil aus der Übertretung einer Geschwindigkeitsbegrenzung ein Bußgeldverfahren folgen kann. Straf- und bußgeldrechtliche Vorschriften müssen aber so bestimmt sein, dass sie ohne weiteres von einem durchschnittlichen Bürger befolgt werden können. Wenn nun aber der beiläufige Blick des Kraftfahrers relevant sein soll, wie dies das Bayerische Oberste Landgericht zu Recht erklärt, und dieser Blick fast zwingend den Vergleich mit dem „bei Nässe“-Schild zu ziehen veranlasst, ist die Regelung jedenfalls zu unbestimmt, um deshalb wegen einer Ordnungswidrigkeit zu verurteilen.
Bislang ist die Entscheidung noch nicht von anderen Oberlandesgerichten bestätigt worden. Ob dies allerdings so bleibt, ist ungewiss. Für die Straßenverkehrsbehörden allerdings ist aus dieser Entscheidung und dem darauf folgenden Echo schon jetzt klar, dass die Kombination mindestens unglücklich ist. Folge muss daher sein, diese Kombination aus dem Straßenverkehr zu entfernen.

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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