BGH zur Frage des Tötungsvorsatzes beim Zufahren auf Polizisten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Strafsache mit Beschluss vom 09.10.2013 (Az.: 4 StR 364/13) nach der Revision des Angeklagten ein Urteil eines Landgerichts teilweise aufgehoben, weil in diesem Urteil eine nichttragfähige Begründung eines bedingten Tötungsvorsatzes vorgenommen worden ist. Es ging in einem schlimmen Fall des Führen eines Kfz mit Alkohol und ohne Fahrerlaubnis um die Frage des Tötungsvorsatzes des Täters und die daraus folgende Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und weiteren Taten. Im Fall war der Angeklagte nachts mit seinem Pkw Mercedes Kombi unterwegs. Er war nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis und war alkoholbedingt fahruntüchtig. Er missachtete eine Polizeikontrolle und floh mit seinem Pkw. Dabei beging er mehrere Verkehrsverstöße. Dann konnte er gestoppt werden. Bei der anschließenden Kontrolle klopfte eine Polizeibeamtin W. auf der Beifahrerseite an die Fahrzeugtür des Angeklagten. Dieser öffnete den Pkw nicht, sondern rangierte mehrmals hin und her. Die Polizistin musste mehrmals ausweichen. Dann fuhr der Angeklagte der W. über den Fuß und gegen das Dienstfahrzeug der Polizei. Die Polizistin W. begab sich schließlich vor den Pkw des Angeklagten und forderte ihn aus einem Abstand von zwei bis vier Metern zum Anhalten auf. Der Angeklagte fuhr daraufhin mit Vollgas auf die Polizistin zu und flüchtete. Die Polizistin W. konnte sich durch einen Sprung zur Seite retten und wurde dabei am Knie verletzt. Das Landgericht nahm wegen dieses Verhaltens des Angeklagten einen bedingten Tötungsvorsatz an, was nach Ansicht des BGH in diesem Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Der BGH wörtlich: „Die Erwägung, der Angeklagte habe aufgrund der Gesamtsituation nicht darauf vertrauen können, dass sich die Zeugin W. rechtzeitig in Sicherheit bringen würde, und deshalb damit rechnen müssen, dass es bei ihr zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen kommen konnte, findet in dem mitgeteilten Beweisergebnis keine ausreichende Stütze. Nach den vom Landgericht für schlüssig und nachvollziehbar erachteten Ausführungen des Kfz-Sachverständigen We. vermochte der Angeklagte seinen Pkw bis zum Standort der Zeugin W. maximal auf 16 km/h zu beschleunigen. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Gefahrerkennungs- und Reaktionszeit verblieb der Zeugin eine Zeitspanne von wenigstens einer Sekunde, um sich in Sicherheit zu bringen. (…) Weder die Angaben des Sachverständigen We., noch diejenigen des Sachverständigen Prof. Dr. B. belegen, dass das Leben der Zeugin W. so konkret und erheblich in Gefahr gebracht worden ist, dass daraus ohne ergänzende Erwägungen der Schluss gezogen werden könnte, der Angeklagte habe – entgegen seiner anderslautenden Erklärung in der Hauptverhandlung – ein ernst zu nehmendes Todesrisiko für gegeben erachtet und in Kauf genommen.“ Der Fall und die in diesem Fall durch den BGH vorgenommene Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten Mordes zeigen, wie wichtig es ist, sich insbesondere in Strafsachen von einem im Verkehrsstrafrecht versierten Anwalt verteidigen zu lassen.

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