Polizeibeamte messen gelegentlich Geschwindigkeitsverstöße dadurch, daß sie längere Zeit hinter dem Betroffenen herfahren und später ihre Wahrnehmungen als Zeugen bestätigen. Diese Art der Geschwindigkeitsmessung ist jedoch ausgesprochen ungenau, besonders wenn der Tachometer des Überwachungsfahrzeugs nicht (mehr) geeicht ist.
Die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung hält bei einem nicht justierten/geeichten Tacho einen Sicherheitsabschlag von 20 % des abgelesenen Wertes für ausreichend. Dieser Auffassung hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in seinem Beschluß vom 07.02.2013 (III-1 RBs 5/13) angeschlossen. Der betroffene Autofahrer befuhr eine Bundesstraße, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt war. Zwei Polizeibeamte folgten ihm in ihrem Funkstreifenwagen, dessen Tachometer nicht geeicht war, auf einer Strecke von 1.300 m. Die Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen betrug mindestens 100 m und vergrößerte sich auf dieser Distanz. Die Beamten lasen auf ihrem Tacho eine Geschwindigkeit von 160 km/h ab. Der Autofahrer wurde unter Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 20 % wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 48 km/h verurteilt.
In den Entscheidungsgründen benennt der Senat die Voraussetzungen für die Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes durch Hinterherfahren mit einem ungeeichten Tacho:
1. Die Messung muß bei guten Sichtverhältnissen erfolgen.
2. Der Abstand zwischen vorausfahrendem Fahrzeug und Messfahrzeug darf nicht mehr als der angezeigte Tachowert betragen.
3. Der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen muß ungefähr gleich bleiben.
4. Die Nachfahrstrecke muß mindestens den fünffachen Abstand betragen.
Unter diesen Bedingungen genügt ein Sicherheitsabschlag von 20 %, um alle denkbaren Fehlerquellen und Ungenauigkeiten auszuschließen.
Erfolgt das Nachfahren bei Dunkelheit, sind über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus regelmäßig besondere tatrichterliche Feststellungen zu Beleuchtungs- und Sichtverhältnissen sowie Orientierungspunkten zu treffen (OLG Hamm, Beschluß vom 30.10.1997 – 2 Ss OWi 1295/97 – und OLG Bremen, Beschluß vom 20.04.1998 – Ss (Z) 83/97, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das gilt umso mehr, je größer der Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem Polizeifahrzeug im Einzelfall ist.
Bei möglichen weiteren Fehlerquellen ist der Sicherheitsabschlag angemessen zu erhöhen. Es können sogar besondere Umstände vorliegen, die zur Unverwertbarkeit der Messergebnisse führen (vergleiche dazu den vom Amtsgericht Mettmann mit Urteil vom 07.05.2012 – 32 OWi 623 Js 21/12-7/12 – entschiedenen Fall, bei dem es um die Messung der Geschwindigkeit eines Motorradfahrers durch einen nachfahrenden Polizeiwagen zur Nachtzeit ging).
Ein Einspruch gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid kann sich also lohnen. Allerdings erfolgen die meisten polizeilichen Geschwindigkeitsmessungen mit standardisierten Messverfahren, die nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung angreifbar sind.
Artikel der Anwaltskanzlei Christoph Auschner, Nümbrecht