Geschwindigkeitsmessung mit Messgerät ES3.0

Das AG Landstuhl hat in seinem Urteil vom 03.05.12 den Betroffenen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen, die mit dem Messgerät ES 3.0 wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit geahndet worden war. Damit wich das Gericht von seiner ursprünglichen Verurteilung der Betroffenen vom 10.02.2011 ab. Das OLG Zweibrücken hob das ursprüngliche Urteil nach Revision der Betroffenen auf und verwies die Sache zurück an das AG Landstuhl, das die Betroffene nun freisprach.

Fehlerhafte Messung nicht ausgeschlossen

Der Verteidiger der Betroffenen hatte in dem Verfahren die Plausibilität der Geschwindigkeitsmessung angegriffen. Auf dem Messfoto war zwar das Fahrzeug der Betroffenen zu erkennen. Jedoch befand sich dieses mit

seiner Fahrzeugfront noch vor der für die Messung relevanten Fotolinie. Dies sei aus der Sicht eines Sachverständigen auch bei weiteren Fahrzeugen aus demselben Messfilm zu beobachten gewesen. Insbesondere war auf dem Messfoto der Betroffenen ein dem Fahrzeug vorauseilender Schatten zu erkennen, wobei nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnte, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. die Messung durch den Schatten ausgelöst wurde und damit nicht eine etwaige fehlerhafte Messung oder eine unzulässige Bedienung des Messgerätes hätte vorliegen können. Es wurde festgestellt, dass eine tatsächliche sachverständige und damit auch gerichtliche Überprüfung der  Messung nicht möglich ist. Es musste also dem Gericht und vielmehr dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Messung in Gänze überprüfen zu lassen. Dies ist jedoch nur möglich, sofern der Hersteller geräteinterne Anforderungen an die Signalverläufe offenlegt.

ES 3.0 Hersteller gibt keine Gerätedaten heraus

Die Ausführungen des Herstellers des Messgerätes ES 3.0 zu der Problematik des vorauseilenden Schattens gaben keinen genauen Rückschluss darüber, wie in einem solchen Fall zur angemessenen Beweiswürdigung des Gerichts zu verfahren ist. Insofern fragte das Gericht bei der Herstellerfirma an, ob weitere Mess- und Gerätedaten zur Einordnung der Signalverläufe für eine gültige Messung zur Verfügung gestellt werden könnten. Dies wurde jedoch seitens des Herstellers verneint.

Freispruch

Das Gericht konnte daher nicht zweifelsfrei eine richtige Messung annehmen. Zwar sind bei standardisierten Messverfahren geringere Anforderungen an die Begründung einer Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu setzen. Dies kann jedoch nur gelten, wenn die Messung auch entsprechend den Vorgaben der Bedienungsanleitung umgesetzt wurde, nicht jedoch dann, wenn eine Fehlmessung nicht ausgeschlossen werden kann, etwa bei Nichterreichen der Fotolinie. Daher hätte das Gericht hier eine zusätzliche Sachaufklärung betreiben müssen, um dem sogenannten „Unmittelbarkeitsgrundsatz“ gerecht zu werden, wonach alle strafrechtlichen Gerichte alle Beweise zum Verfahren selbst erheben müssen und die Sachlage vollständig aufklären müssen. Es reichte dem Gericht nicht, sic auf Erkenntnisse Dritter zu verlassen. Zwar stellte der Hersteller gegenüber dem Gericht klar, dass der Einseitensensor 3.0 so konzipiert sei, dass unter keinen Umständen ein falscher Geschwindigkeitsmesswert entstehen kann. Diese Aussage überzeugte das Gericht zu Recht nicht, da in der Vergangenheit mehrfach neue Softwareversionen aufgespielt werden mussten, da es unter anderem Zuordnungsprobleme gab. Es war vorliegend kein geeignetes Beweismittel vorhanden, auf das eine Verurteilung hätte gestützt werden können.

Das Urteil weist eine besondere Bedeutung für die zukünftige Bewertung fehlerhafter Geschwindigkeitsmessungen auf. Da eine Konstellation wie in dem vorliegenden Fall nicht selten ist und die Herstellerfirmen der Messgeräte auch weiterhin ihre geheimen Gerätedaten nicht preisgeben werden, ist zu erwarten, dass sich weitere Amtsgerichte dieser Rechtsprechung anschließen. So hat das AG Kaiserslautern in einem ähnlich liegenden Fall einer uneindeutigen Geschwindigkeitsüberschreitung die Betroffene aus denselben Gründen freigesprochen (Urt. v. 14.03.2012 – 6270 Js 9747/11).

Mit neuer Internetpräsenz informiert und berät die Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner Betroffene nach einem Verkehrsverstoß – insbesondere nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Land Brandenburg und Berlin: www.in-brandenburg-geblitzt.de .