Der Sohn der Klägerin war mit einem Pkw VW Passat, dessen Halterin die Klägerin ist, auf einer Straße unterwegs. Auf einer Brücke fuhr er in ein 10 cm tiefes und 50×50 cm großes Schlagloch. Die Geschwindigkeit auf der Brücke war auf 30 km/h begrenzt. Die Klägerin behauptet, ihr Sohn sei mit den beiden rechten Reifen des Fahrzeugs durch das Schlagloch gefahren, wobei diese Reifen und die vordere rechte Felge derart beschädigt worden seien, dass sie ausgetauscht werden mussten. Das Schlagloch sei nicht erkennbar gewesen, weil es mit Regen gefüllt gewesen sei. Aufgrund von Gegenverkehr sei ein Ausweichen nicht möglich gewesen. Im Hinblick auf das verkehrsgefährdende Ausmaß hätte eine Notflickung des Schlaglochs erfolgen müssen. Die Klägerin hat die beklagte Gemeinde wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, da die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, auch weil die Beklagte Kenntnis von dem Schlagloch gehabt habe. Ihr sei es zumutbar gewesen, das Schlagloch zeitnah zum 13.02.2009 nochmals mit Kaltmischgut auszubessern. Eine Reparatur erst am 18.03.2009 sei nicht ausreichend gewesen.
Ein Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges müsse sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen, Ein Fortbewegen mit einer noch geringeren Geschwindigkeit als 30km/h sei nicht zumutbar. Gegen Urteil hat die Beklagte Berufung. Das Oberlandesgericht Thüringen (OLG) hat mit Urteil vom 31.05.2011 (Az.: 4 U 884/10) entschieden, dass die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und vor ihnen warnen muss, die für den sorgfältigen Benutzer nicht erkennbar sind. Bei viel befahrenen innerstädtischen Straßen müssen die Verkehrsteilnehmer selbst unter Berücksichtigung der prekären Finanzlage der Kommunen darauf vertrauen dürfen, dass die Straßen keine großen Schlaglöcher aufweisen. Bei der Haftungsabwägung gemäß § 254 Abs. 1 BGB ist dem Eigentümer und Halter des beteiligten Pkw die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzulasten. Im Ergebnis hat das OLG der Klägerin einen Anspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zugebilligt, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht aus §§ 10 Abs. 1, 43 Abs. 1 ThStrG schuldhaft verletzt hat. Diese basiert auf dem Umstand, dass von der Straße durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs Gefahren für Dritte ausgehen. Vor den von der Straße ausgehenden Gefahren hat der Verkehrssicherungspflichtige die Verkehrsteilnehmer zu schützen. Nicht genügend war es, dass lediglich ein Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h aufgestellt war. Die Geschwindigkeitsbegrenzung besagt nicht, dass Straßenschäden vorliegen. Das OLG hat jedoch entschieden, dass der Anspruch aufgrund eines Mitverschuldens des Sohnes der Klägerin gemindert ist. Bei der Haftungsabwägung nach § 254 Abs. 1 BGB sei nicht nur die Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu berücksichtigen; der Sohn der Klägerin habe vielmehr gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und das Gebot des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO, die Geschwindigkeit den Sichtverhältnissen anzupassen, verstoßen: „Das Sichtfahrgebot soll nicht nur vor Kollisionen mit entgegenkommenden Fahrzeugen, sondern auch davor schützen, auf Hindernisse auf- bzw. hineinzufahren. Mit Fahrbahnhindernissen muss der Kraftfahrer stets rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit.“ Die Entscheidung zeigt einerseits, dass Verkehrsteilnehmer bei erkennbar schlechten Straßen sehr vorsichtig fahren müssen. Andererseits sollten Verkehrsteilnehmer bei Schäden durch Schlaglöcher anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen, um eine optimale Schadensregulierung in Bezug auf den Träger der Straßenbaulast vornehmen zu können.