Nach einem unverschuldeten Unfall holt der Geschädigte ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe ein. Der Gutachter schätzt den Wiederbeschaffungswert auf 10.000 € und die Reparaturkosten in einer Markenwerkstatt auf 5500 €. Der Geschädigte entschließt sich, das Fahrzeug im beschädigten Zustand weiter zu nutzen bzw. selbst zu reparieren. Nach Eingang des Gutachtens bei der Versicherung schickt diese einen Prüfbericht, der zu dem Ergebnis kommt, dass eine freie Werksttatt die Reparatur deutlich günstiger und zwar zum Preis von 3200 € ausführen kann. Auf dieser Basis rechnet die Haftpflichtversicherung ab.
Hierzu hat der Bundesgerichtshof am 22. Juni 2010 ( VI ZR 337/09 ) entschieden:
“ Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung …. gezogenen Grenzen, wennn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht…… auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen “ freien Fachwerkstatt “ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.
Unzumutbar ist eine Reparatur in einer “ freien Fachwerkstatt “ für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. “
Seit dieser Entscheidung kommen Haftpflichtversicherer immer wieder mit Prüfberichten , die die Reparaturkosten in einer markengebundenen Werkstatt gemäß Gutachten und einer ausgewählten Werkstatt gegenüberstellen. Teilweise wird dann noch die Anschrift an anderen Werkstatt mitgeteilt, teilweise ein konkretes Gegengutachten unter Hinweis auf eine Zertifizierung durch die Firma Eurogarant.
Dieser Hinweis soll regelmäßig die Gleichwertigkeit untermauern.
Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat mit Urteil vom 25. August 2010 ( 110 C 3178/10 ) entschieden, dass der Verweis auf eine kostengünstigere Werkstatt ein annahmefähiges Angebot erfordert. Auszugsweise für das Gericht aus:
“ Der Verweis auf eine konkrete günstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen Fachwerkstatt setzt… voraus, dass dem Geschädigten insoweit annahmefähige Angebote der betreffenden Werkstätten unterbreitet werden. Die bloße Nennung von Namen und Anschrift eines Reparaturbetriebes ist insoweit nicht ausreichend, da der Geschädigte anhand des Namens und der mitgeteilten Stundenverrechnungssätze nicht erkennen kann, ob die angebotene Werkstatt in der vom Sachverständigen vorgesehenen Art und Weise repariert. Hierzu hätte die Beklagte ( Versicherung ) den Kläger ( Geschädigten ) zumindest einen Kostenvoranschlag der betreffenden Firma vorlegen müssen. …“
Das Amtsgericht Wuppertal ( 34 C 492/09 ) verlangt gleichfalls ein annahmefähiges Angebot unter Darlegung der Gleichwertigkeit und führt aus, dass das Angebot einen Hinweis darauf enthalten muss,
– ob die Werkstatt von einer unabhängigen Kontrollorganisationen zertifiziert ist;
– ob sie von einem Meister geführt wird;
– ob Originalersatzteile verwendet werden;
– ob nach Herstellervorgaben gearbeitet wird sowie
– ob es sich um einen Mitgliedsbetrieb des ZDK handelt.
Gegenwärtig führen wir einen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Schwerin zu dieser Problematik. Beschädigt ist ein Mercedes Benz, der regelmäßig in einer Fachwerkstatt gewartet wird. Reparaturen sind noch nicht angefallen. Der Geschädigte rechnet fiktiv ab und führr die Reparatur selbst durch. Die Versicherung verweist auf Stundenverrechnungssätze einer Ford Werkstatt um 28 € niedriger sind als bei der Mercedes Vertragswerkstatt. Die Entscheidung steht noch aus, wird aber für die Region Schwerin wegweisende Bedeutung haben.
Praxishinweis:
Bis zu einer einheitlichen Instanzenrechtsprechung durch Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte ( soweit es eine solche überhaupt geben wird ) solllte im Einzelfall mit einem Rechtsanwalt sehr genau abgewogen werden, ob verbleibende Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Für rechtsschutzversicherte Bürger bleibt nur der Klageweg, für Bürger ohne Rechtsschutzversicherung ist die Weiterverfolgung allerdings mit einem erheblichen Risiko verbunden. Einige Versicherer legen gegenwärtig sehr konkrete Angebote von günstigeren Werkstätten vor und machen auch Ausführungen zur Gleichwertigkeit.