Wie verhält man sich, wenn zwei entgegenkommende Fahrzeuge auf schmaler Straße aufgrund parkender Fahrzeuge nicht aneinander vorbeipassen?
Jedenfalls nicht durchdrängeln sagt das AG Mitte in einer aktuellen Entscheidung (Urteil 12 C 3140/10 vom 09.01.2012).
Zunächst ist § 6 StVO zu beachten: Wer an einem Hindernis (z. B. haltende Fahrzeuge) links vorbeifahren will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.
Damit ist vordergründig nur eine Rangfolge geregelt. In Verbindung mit § 1 StVO (Vorsicht und gegenseitige Rücksicht) und § 11 StVO (Verzicht auf Vorrang, wenn es die Verkehrslage erfordert) sind aber umfassendere Pflichten zu beachten – und zwar von beiden Fahrzeugführern.
§ 6 StVO beinhaltet nämlich nicht nur eine Regelung darüber, welches Fahrzeug zuerst fahren darf, wenn nicht genug Platz für zwei bleibt. D.h., die Vorschrift ist nicht erst dann einschlägig, wenn der am Hindernis Vorbeifahrende den Gegenverkehr wahrgenommen hat. Vielmehr ergeben sich für ihn aus § 6 StVO auch Sorgfaltspflichten, die dieser Situation vorausgehen.
Der Fahrer des wartepflichtigen Fahrzeuges, auf dessen Fahrbahn sich das Hindernis befindet. kann schließlich seiner Wartepflicht nur dann sinnvoll nachkommen, wenn er (möglichst) vor dem Hindernis anhält. Deshalb muss er – insbesondere, wenn es unübersichtlich ist – besonders vorsichtig prüfen, ob sein Vorbeifahren Gegenverkehr behindern würde. Erkennt er Gegenverkehr muss er halten. Ist an einer unübersichtlichen Engstelle Gegenverkehr nicht erkennbar, so darf nur mit größter Vorsicht unter Benutzung der Gegenfahrbahn an dem Hindernis vorbeigefahren werden. Unter Umständen heißt das Schrittgeschwindigkeit, damit sofort angehalten werden kann, wenn doch noch ein Fahrzeug entgegenkommt.
Allerdings hat nicht nur der Wartepflichtige Sorgfaltspflichten – auch wenn er in erster Linie prüfen muss, ob ein behinderungsfreies Passieren der Engstelle möglich ist. Auch den Bevorrechtigten treffen Pflichten aus §§ 1 StVO und 11 StVO.
Ist es erforderlich, muss (auch) er anhalten – ist es möglich und notwendig muss er ausweichen. Pocht er auf sein Vorrecht und verhindert deshalb den Unfall nicht, obwohl ihm das möglich wäre, haftet er für den entstandenen Schaden mit.
In dem Fall, den das AG Mitte zu entscheiden hatte, trafen zwei Dickköpfe aufeinander. Der Wartepflichtige meinte „Stell dich nicht so an. Wir passen beide durch.“ und fuhr drauflos. Der Bevorrechtigte reagierte „Du bist wartepflichtig. Ich denke gar nicht daran auszuweichen.“ Die Forschheit und der klare Verstoß gegen § 6 StVO „bezahlte“ der erstgenannt Fahrer mit 75 % Haftung. Der Rechthaber durfte 25 % zeichnen.