Landgericht Coburg (AZ: 22 O 438/08): Der Schnellere hat nicht immer Recht

Coburg/Berlin (DAV). Wer auf eine Vorfahrtstraße einbiegen will, muss warten. Doch wie ist die Vorfahrt geregelt, wenn zwei untergeordnete Straßen unmittelbar nebeneinander liegen? Bei solchen Kreuzungsanordnungen gilt die „rechts vor links“-Regelung, wie die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilen. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Coburg vom 19. Januar 2010 (AZ: 22 O 438/08) hervor. Auf einer abknickenden Vorfahrtstraße war es zu einem Unfall gekommen, als ein Lkw und ein Pkw aus zwei untergeordneten Straßen, die direkt nebeneinander lagen, in die Kreuzung einfuhren. Die Autofahrerin meinte, der von ihr aus links einfahrende Lkw habe nicht an dem Stoppschild gehalten. Der Lkw-Fahrer behauptete dagegen, er habe angehalten. Die Frau sei vielmehr plötzlich in die Kreuzung eingefahren, als er schon vollständig auf der Vorfahrtstraße war. Die Richter gaben der Autofahrerin Recht: Der Lkw-Fahrer hätte in jedem Fall auf das von rechts kommende Auto achten müssen, bevor er in die Kreuzung eingefahren sei. Bei solchen Kreuzungsanordnungen gelte der Grundsatz „rechts vor links“. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass in den beiden untergeordneten Straßen verschiedene die Wartepflicht gebietende Verkehrszeichen aufgestellt seien. Die Ansicht des beklagten Lkw-Fahrers, dass sich im Kreuzungsbereich ein Übergang von der Wartepflicht in das Vorfahrtrecht vollziehe, wurde vom Gericht klar zurückgewiesen. Es könne nicht sein, dass der Schnellere oder Rücksichtslosere Recht habe: Die Straßenverkehrsordnung wolle solche Wettläufe gerade verhindern, denn dies würde die Verkehrslage im bedenklichen Maße unsicher machen und die Gefahr von Unfällen erhöhen. Die Autofahrerin bekam 5.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Bei unübersichtlichen oder ungewöhnlichen Kreuzungsanordnungen ist es manchmal nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich, wer Vorfahrt hat. Im Zweifel sollte man sich immer vorsichtig herantasten und sich mit den anderen Verkehrsteilnehmern durch Handzeichen verständigen.

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