Die Straftatbestände des § 316 und § 315c StGB setzen voraus, dass der Fahrer aufgrund des Konsums von berauschenden Mitteln fahruntüchtig ist. Fahruntüchtig ist, wer nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Für die Straßenverkehrsgefährdung kommt die rauschmittelbedingte Gefährdung des § 315c Abs. 1 am Ende StGB hinzu. Im Gegensatz zur Alkoholfahrt gibt es hier als Besonderheit zu beachten, dass eine absolute Fahruntüchtigkeit nicht existiert.
Berauschende Mittel beeinträchtigen das Hemmungsvermögen und die intellektuellen sowie motorischen Fähigkeiten des Fahrers, ähnlich wie Alkohol. Der Rauschbegriff beschreibt eine physiologisch wirksame, vorübergehende Beeinflussung der Gehirntätigkeit im Sinne einer subjektiv wahrnehmbaren Veränderung der Entstehung, Wahrnehmung, des Empfindens oder Verarbeitens von Reizen. Eine bloß generelle Eignung zur Beeinträchtigung des Bewusstseins oder der Reaktionsfähigkeit genügt deshalb nicht. Medikamente ohne Rauschwirkung sind deshalb nicht erfasst, diese müssen also berauschende Substanzen enthalten.
Aus der Fallbearbeitung:
Vorwurf: § 315 c StGB Gefährdung des Straßenverkehrs
Unserer Mandantin wurde vorgeworfen mit ihrem PKW eine Einbahnstraße verkehrswidrig also in entgegengesetzter Fahrtrichtung befahren zu haben. Als ihr ein Fahrzeug entgegenkam, versuchte sie seitlich auszuweichen, stieß dabei jedoch trotzdem gegen ein entgegenkommendes Fahrzeug. Dabei führte sie das Fahrzeug mit dem Wissen, zuvor Medikamente mit fahreignungsbeeinträchtigenden Wirkstoffen zu sich genommen zu haben. Die nach der Tat entnommene Blutprobe wies eine hohe Konzentration von Bromazepam sowie weiteren Medikamenten auf. Aufgrund dessen soll sie nicht mehr zum führen von Kraftfahrzeugen in der Lage gewesen sein.
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – § 111 a StPO
Die Staatsanwaltschaft beantragte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO bei dem zuständigen Amtsgericht.
Die Verteidigung nahm auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung und beantragte, den Antrag abzuweisen und eine Verfahrenseinstellung gemäß § 170 II StPO, hilfsweise gemäß 153 a StPO gegen Zahlung einer geringen Geldauflage an eine gemeinnützige Institution.
Hintergrund für die Einnahme der Medikamente war eine Krebserkrankung unserer Mandantin. Die Medikamente durfte unsere Mandantin lediglich im Bedarfsfall einnehmen und durfte auch unmittelbar nach der Einnahme keine Kraftfahrzeuge führen. Tatsächlich nahm unsere Mandantin entsprechend Medikamente am Vorabend ein und fühlte sich am nächsten Morgen sicher, Kraftfahrzeuge zu führen. Der Grund für das Befahren der Einbahnstraße war aus Sicht unserer Mandantin eine zuvor erhaltene bewegende Nachricht.
Kein Zusammenhang zwischen Medikamentenkonsum und Fahrfehler
Diese hatte unsere Mandantin derart mitgenommen, dass sie versehentlich, die Einbahnstraße in verkehrte Fahrtrichtung einfuhr. Unmittelbar nach dem Einfahren in die Straße bemerkte sie den Fahrfehler und beabsichtigte an der nächsten Gelegenheit zu wenden. Allerdings kam ihr vor dem Wenden ein Fahrzeug entgegen. Sie versuchte noch auszuweichen, was ihr jedoch nicht gelang. Bei der ärztlichen Untersuchung nach der Blutentnahme machte unsere Mandantin nicht den Eindruck unter Medikamenteneinfluss zu stehen. Sämtliche Untersuchungen gelangen sicher. Lediglich die Stimmung unserer Mandantin wurde mit depressiv beschrieben, was ihren tatsächlichen Zustand auch passend beschrieb. Dem ärztlichen Bericht war demzufolge eine Beeinträchtigung der Fahreignung zum Tatzeitpunkt nicht zu entnehmen. Allerdings stand die ärztliche Untersuchung damit im Widerspruch zu den Feststellungen der Polizeibeamten.
Einstellung des Strafverfahrens wegen § 315 c StGB
Aus Sicht der Verteidigung war die Fahreignung war am Tattag nicht durch die Einnahme der Medikamente am Vorabend beeinträchtigt. Die verkehrswidrige Einfahrt in die Einbahnstraße hätte auch vollständig ohne Einnahme von Medikamenten passieren können. Die Verteidigung begründete die Stellungnahme sowie den Antrag ausführlich. Das Gericht wies den Antrag gemäß § 111 a StPO (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) der Staatsanwaltschaft ab und folgte der Verteidigung hinsichtlich des Antrags auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a StPO.
Es lohnt sich in jedem Fall einen Strafverteidiger zu konsultieren, der die Gesamtumstände des Falles beleuchtet und überprüft. Nicht jeder Fahrfehler ist alkohol- oder wie vorliegend medikamentenbedingt. Eine ausführliche Auseinandersetzung aller Umstände ist erforderlich, um voreilige Entscheidungen des Gerichts insbesondere eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermeiden.