Der Angeklagte hatte im August 2012 mit einer Pferdekutsche am Straßenver-kehr teilgenommen und ist dabei von der Polizei kontrolliert worden. Die Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,98 ‰ ergeben. Anzeichen für eine relative Fahruntüchtigkeit lagen nicht vor. Weder war die Kutsche durch Schlangenlinien aufgefallen, noch zeigte der Fahrer Ausfallerscheinungen.
Das Landgericht Osnabrück hat sich daraufhin mit der Frage befasst, bei wel-chem Grenzwert bei Kutschern eine absolute Fahruntüchtigkeit vorliege. Der Grenzwert für Kraftfahrer von 1,1 ‰ sei nicht anwendbar, da eine Kutsche deutlich langsamer fahre. Auch der Grenzwert für Fahrradfahrer, der bei 1,6 ‰ liegt, komme nicht in Betracht, weil es bei Kutschfahrern nicht auf den für die Fahruntüchtigkeit von Radfahrern entscheidenden Gleichgewichtssinn ankomme. Mit einer ähnlichen Begründung hat das Amtsgericht Köln im Jahre 1998 (NJW 1989,921) das Verfahren gegen einen Kutscher eingestellt, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,71 ‰ am Straßenverkehr teilgenommen hat. Die absolute Fahruntüchtigkeit von Radfahrern sei anhand der Fähigkeit ermittelt worden bei Kreis- und Slalomfahrten nicht umzufallen. Bei Lenkern von Pferdegespann kommt dem Gleichgewichtssinn eine geringere Bedeutung zu, der Kutscher muss in der Lage sein sich auf dem Bock zu halten. Auch sei zu berücksichtigen, dass Pferde kraft der ihnen eigenen Intelligenz alkoholbedingte Schwächen des Kutschers in gewissem Umfang kompensieren können.
Diese Rechtsauffassung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg nicht geteilt. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der für Kraftfahrzeuge geltende Grenzwert von 1,1 ‰ auch auf Kutscher anzuwenden sei. Ein Kutscher müsse im Straßenverkehr vielfältige Anforderungen erfüllen. Fahr-fehler, wie der Verlust des Gleichgewichts, zu locker geführte Zügel oder Fehleinschätzungen einer Verkehrssituation könnten sich gefährlich auswirken. Ein Pferd sei grundsätzlich zu keiner angemessenen Eigenkreation fähig, sondern verlasse sich auf den Fahrer. Im Straßenverkehr kann jederzeit etwas Unvorhergesehenes geschehen, daher komme der Reaktionsfähigkeit eines Kutschers besondere Bedeutung zu. Dieser ist gehalten die Pferde ständig zu beobachten und ihr Verhalten zu reflektieren immerhin könne die Kutsche im „vollen Galopp“ eine Geschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Der Führer eines Gespannes müsse somit jederzeit in der Lage sein, schnell zu reagieren und seine für die Führung der Pferde wichtige Stimme sowie die Zügel einzusetzen. Auch bei einem Kutscher wirken sich alkoholbedingte Einbußen der Leistungsfähigkeit, wie etwa die Verringerung der Aufmerksamkeit oder des Reaktionsvermögens nachteilig aus. Daher liege auch bei Kutscher die Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 ‰ (Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 25.02.2014, 1SS 204/13).