DVR: verantwortungsvoller Umgang absolut notwendig
Bonn, 28. November 2017 – Seit März 2017 können sich Patientinnen und Patienten Cannabisblüten und daraus hergestellte Extrakte auf Betäubungsmittelrezept vom Arzt verschreiben lassen. Grundsätzlich dürfen diese Personen am Straßenverkehr teilnehmen, soweit sie nach Aufnahme der cannabisbasierten Medikamente noch in der Lage sind, ein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen. Treten allerdings während der Fahrt Ausfallerscheinungen auf, die auf die Einwirkung dieser Medikamente zurückzuführen sind, drohen strafrechtliche Konsequenzen. Darauf weist der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hin.
„Besonders in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase….
….kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt werden“, erläutert Jacqueline Lacroix vom DVR.
Auch eine zu hohe Dosierung oder die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, einschließlich selbst geringer Mengen an Alkohol, könnten zu Problemen führen. „Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Drogenmaterialien angeboten werden, die sich in ihren Inhaltsstoffen zum Teil erheblich unterscheiden. Dabei geht es vor allem um den Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC), das zu rund 20 Prozent in medizinischen Cannabisblüten enthalten ist, oder Cannabidiol,“ ergänzt die Expertin.
Die Wirkstoffe der Cannabisblüten können durch Inhalation oder oral aufgenommen werden, zum Beispiel als Tee oder Gebäck. Eine optimale Verordnung bedarf daher spezieller medizinischer Expertise. „Die Ärzte, die medizinisches Cannabis verordnen, müssen ihre Patienten über die möglichen Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr aufklären. Insbesondere sollten sie zu Beginn der Therapie vom Führen eines Fahrzeuges abraten, und zwar so lange, bis die unerwünschten Nebenwirkungen nicht mehr auftreten und sie trotz Krankheit fahrsicher sind“, empfiehlt Lacroix.
Darüber hinaus müssten aber auch die Patienten selbst ihre Fahrtüchtigkeit im Auge behalten und im Zweifelsfall auf das Fahren verzichten. „Sie werden im Straßenverkehr genauso behandelt wie andere Patienten, die unter einer Dauermedikation stehen, die zum Beispiel ein psychoaktives Arzneimittel verordnet bekommen haben“, erklärt Lacroix.
Problematisch ist, dass Cannabisblüten, die lose von den Apotheken auf Rezept abgegeben werden, über keinen Beipackzettel verfügen und von den Patienten selbst in Kleinstmengen, zum Teil bis unter 0,1 Gramm, dosiert werden müssen. Das Rezept muss daher eindeutige Angaben zum Drogenmaterial, zur Darreichungsform und zu den Einzel- und Tagesdosen enthalten.
„Von den Cannabispatienten wird ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit im Umgang mit der Medikation und bei Auftreten von Nebenwirkungen erwartet“, sagt Lacroix. Wenn das THC im Blut aus einer bestimmungsgemäßen Einnahme eines für den konkreten Krankheitsfall verschriebenen cannabisbasierten Arzneimittels herrührt und die Einnahme die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt, kommt es nicht zu Sanktionierungen gemäß dem Straßenverkehrsgesetz (StVG). Bei missbräuchlicher Einnahme derartiger Arzneimittel droht hingegen nicht nur eine Sanktionierung nach dem StVG, sondern zusätzlich der Verlust der Fahrerlaubnis. Patienten sollten deshalb eine ärztliche Bescheinigung über ihre Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten oder eine Kopie des aktuellen Rezeptes über medizinisches Cannabis mit sich führen.
„Es ist nicht einfach, zu bestimmen, welchen Einfluss der Gebrauch von medizinischem Cannabis auf das Fahrvermögen hat“, fasst Lacroix das Problem zusammen. Die im Blut festgestellte THC-Konzentration entspreche oft nur zu einem geringen Grad der messbaren Beeinflussung. Auch lasse die THC-Konzentration im Blut keine sicheren Rückschlüsse auf die Menge an THC zu, die tatsächlich geraucht oder eingenommen wurde. Die Polizei sollte zudem bei einem Anfangsverdacht in Betracht ziehen, dass der Fahrer Cannabis auch wegen einer medizinisch-indizierten Medikation eingenommen haben könnte. Zu prüfen wäre dann, ob Anhaltspunkte für eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme vorliegen.