Richten nach Filmen

Fotos (polizeiliche aber auch private) sind in der Bewertung von Unfallsituationen ebenso selbstverständlich wie unverzichtbar.
Zunehmend zieht auch Videotechnik in die Fahrzeuge ein, so dass ganze (Unfall)Abläufe nebst ihrer Entwicklung betrachtet werden können.
Das AG München hatte sich mit einem speziellen Fall zu befassen. Es ging um ein Gockelrennen: Eitler Cabriofahrer versus militanter Radfahrer. Ein phantasiebegabter Verkehrsjurist braucht hierfür eigentlich kein Video – man hat die Situation förmlich vor Augen …
Aber hier existierte ein Video. Der Radfahrer hatte seine gesamte Fahrt gefilmt. Der Unfallablauf nebst Geschwindigkeiten und Abständen war zu sehen. Auch die Vorgeschichte konnte man visuell miterleben. Leider waren die Aufnahmen dazu nicht scharf genug, um zu entscheiden, ob es vom Cabriofahrer einen Stinkefinger gab oder ob der nur seine Hand lässig am Fensterholm hatte, um sein goldnes Armband blitzen zu lassen.

Das AG München (343 C 4445/13, Urteil vom 06.06.2013 ) hat sich in zwei Prüfschritten mit der Einführung des Videos in den Prozess befasst.

Stufe 1: «Darf man überhaupt den Verkehr (nebst beteiligten Personen) um sich herum filmen?» Das AG München meint „ja“ und zieht die Parallele zu Urlaubsfotos. Es führt aus (zitiert nach der Pressemitteilung des AG München 30/13 vom 08. Juli 2013): “ Zu der Zeit, zu der das Video aufgenommen wurde, habe der Aufnehmende damit noch keinen bestimmten Zweck verfolgt. Die Personen, die vom Video aufgenommen wurden, seien rein zufällig ins Bild geraten, so, wie es auch sei, wenn man Urlaubsfotos schieße oder Urlaubsfilme mache und dabei auch Personen mit abgebildet werden, mit denen man nichts tun habe. Derartige Fotoaufnahmen und Videos seien nicht verboten und sozial anerkannt. Jeder wisse, dass er in der Öffentlichkeit zufällig auf solche Bilder geraten könne. Nachdem die abgebildete Person dem Fotografen in der Regel nicht bekannt sei und dieser damit auch keine näheren Absichten gegenüber der abgebildeten Person verfolge, bleibe die abgebildete Person anonym und sei damit allein durch die Tatsache, dass die Aufnahme erstellt wurde auch nicht in ihren Rechten betroffen. Eine Beeinträchtigung ihrer Grundrechte könne nur dann vorliegen, wenn eine derartige zufällig gewonnene Aufnahme gegen den Willen der abgebildeten Person veröffentlicht werde.“
Damit lässt das AG München (bewusst?) die Frage offen, wie ein gezieltes Filmen „auf Vorrat“ zu Beweiszwecken für eventuelle Unfälle zu bewerten ist.

Die Frage zur Stufe 2: «Darf das vorhandene Video im Prozess als Beweismittel verwertet werden?» bejaht das AG München ebenfalls. Es geht dabei – wie wir es von der Verwertung mitgeschnittener Telefonate kennen – von einer Interessenabwägung aus. Dabei billigt es einem Unfallbeteiligten ein generelles Interesse zu, Beweise zu sichern und führt weiter aus „Dieses Interesse sei in der Rechtsprechung auch anerkannt: Es werde für unproblematisch gehalten, wenn ein Unfallbeteiligter unmittelbar nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen, der Endstellung, Bremsspuren oder auch von seinem Unfallgegner mache, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligung der Personen zu sichern. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen werden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit dieser Zielrichtung verwertet werden.“ (a.a.O.)

Dann schauen wir mal!