Justizministerium nimmt sich Versicherungstricksereien vor

Nun ist es endlich soweit. Auch der Gesetzgeber stolpert über das Zaudern und Zögern der Versicherer, wenn es um berechtigte und erforderliche Regulierungen geht. Laut einem Schreiben der Bundesjustizministerin an die Landesjustizverwaltungen, welches ausschnittweise in der Süddeutschen Zeitung wiedergegeben wurde, mehren sich Beschwerden, „Versicherer erstatten mit erheblicher Verzögerung, es gehe auch darum, die wirtschaftlich stärkere Position auszunutzen mit dem Ziel den Anspruchsteller in zermürbenden Rechtsstreitigkeiten zur Aufgabe des Anspruchs oder zu einem für den Versicherer günstigen Vergleich zu bewegen“. Das Justizministerium versucht nun die tatsächliche Regulierungspraxis zu ermitteln und die Notwendigkeit gesetzlicher Vorgaben zu prüfen. Versicherungsrechtsexperte Hans-Peter Schwintowski schätzt,  dass – variierend nach Versicherungsart – bis zu 60% aller Leistungsfälle abgelehnt werden. Für die Krafthaftpflicht-Sparte sind die Tricks zur Kürzung berechtigter Ansprüche hinlänglich bekannt. Neben den ermüdenden Verzögerungs- und Ablehnungspraktiken wirken die Versicherer durch einschüchternde Aussagen in Kombination mit irreführender Rechtsberatung darauf hin, dass der Geschädigte seine Dispositionsfreiheit aufgibt und die Schadenbehebung der Regie der Versicherung überlässt.

Durch Einflussnahme auf die Wahl der Werkstatt und anderer Dienstleister sowie unrichtige Angaben zu angeblich nicht entstandenen Positionen wie Wertminderung, Mehrwertsteuer, etc. sparen die Assekuranzen jährlich dreistellige Millionenbeträge. Auch die Auto Bild nahm sich in ihrer ersten Aprilausgabe des Themas an und schilderte einen Fall, wie ihn Verkehrsjuristen inzwischen regelmäßig aus ihrer Praxis kennen.

Michael C. wurde von einem entgegenkommenden Linksabbieger in einen Frontalcrash verwickelt. Bis zur vollständigen Regulierung des eingetretenen Totalschadens, vergingen fast 2 Jahre mit insgesamt 31 Anwaltsschreiben zu vielzähligen unsinnigen Einwendungen der Versicherer. Nicht anwaltlich vertreten sind viele zermürbte Geschädigte geneigt, sich nach der x-ten versicherungsseitigen Abwehr auf ein zu niedriges  Abfindungsangebot einzulassen. Dass eine schnelle Regulierung auch möglich ist, zeigt sich an unzähligen Kleinschäden, die zügig ohne große Gegenwehr reguliert werden, da die Refinanzierung bereits durch die sich anschließende Höherstufung des Versicherungsnehmers gesichert ist.

 

Ein mutiger Amtsrichter aus Berlin-Mitte hat nun seinen Teil zur Diskussion beigetragen, indem er in einem Beschluss das Folgende an die beklagte Versicherung adressiert:

„Die Beklagten werden darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – wieder einmal – die wahrheitswidrigen Angaben eines Haftpflichtversicherers zur behaupteten Höhe der Stundenverrechnungssätze widerlegt sind. Es bleibt vorbehalten, die Sache wegen des Verdachts des Prozessbetruges durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) (der Versicherung, Anm. d. Red.) einer zuständigen Staatsanwaltschaft vorzulegen, da aufgrund der Prozessführung der Beklagten zu 2) und anderer Haftpflichtversicherer in mehreren Fällen davon auszugehen ist, dass  bei der Regulierung einer Vielzahl von Kfz-Haftpflichtschäden Geschädigte durch das Aufstellen falscher Behauptungen zur Höhe der allgemein zugänglichen Stundenverrechnungssätze getäuscht worden sind.“

 

Es regt sich etwas in Justiz, Politik und hoffentlich Gesetzgebung!