Unfallopfer mit schweren Verletzungen – Teil 1: Schmerzensgeld

Ein wesentlicher Tätigkeitsschwerpunkt der Rechtsanwaltskanzlei Carsten Meinecke ist die bundesweite Vertretung von Unfallopfern, die im Straßenverkehr schwere Verletzungen erlitten haben.

Schwere Verletzungen bedeuten häufig auch große Veränderungen im Leben des Unfallopfers. Bei der Regulierung der leichten Verletzungen geht es für den Rechtsanwalt im Verkehrsrecht im Wesentlichen um Heilbehandlungskosten und um das angemessene Schmerzensgeld. Bei mittleren und schweren Verletzungen wird die Schadensregulierung sehr komplex und es besteht die Gefahr, wesentliche Ansprüche zu übersehen. Eine rechtsanwaltliche Beratung wird daher dringend empfohlen.

Schmerzensgeld

Die nachfolgenden Ausführungen zum Thema Schmerzensgeld sollen keine juristische Abhandlung sein, die alle Feinheiten des Haftungsgrundes, der Anspruchshöhe oder der prozessualen Geltendmachung beleuchtet. Mit diesem Beitrag möchte ich vielmehr vermitteln, wie komplex die Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes ist.

Es sind eine ganze Reihe von Bemessungskriterien bei der Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes zu beachten. Zunächst ist die Art der erlittenen Verletzungen bestimmend. Sie ergibt sich aus den ärztlich attestierten Verletzungen, der Diagnose. Zur Schmerzensgeldbemessung gehören auch die Dauer der Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE), ein eventueller Dauerschaden, oder dauernde Entstellungen oder psychische Beeinträchtigungen. Ebenso sind verletzungsbedingte entgangene Lebensfreuden wie zum Beispiel dauernde oder zeitweilige Unmöglichkeit oder Behinderung beim Tanzen, Sport treiben, Diskobesuchen, Ausübung von Hobbys, Autofahren schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Hierher gehören auch die entgangenen Urlaubsfreuden. Ein weiteres Kriterium ist die Verhaltensweise Dritter. Grund für eine deutliche Schmerzensgelderhöhung können die zögerliche Schadensregulierung durch den Versicherer oder gar dessen Zermürbungstaktik sein. Auch eine unzureichende oder unterbliebene Vorschusszahlung auf das zu erwartende Schmerzensgeld wirken sich erhöhend aus. Weitere Kriterien sind die wirtschaftliche Situation im Vergleich vom Schädiger zum Geschädigten und das Maß des Verschuldens der Beteiligten.

Das angemessene Schmerzensgeld wird unter Berücksichtigung aller Kriterien ermittelt. Das Schmerzensgeld ist ein Gesamtbetrag und nicht die Summe mehrerer Einzelbeträge. Es ist daher nicht möglich, für jede einzelne Verletzung einen bestimmten Betrag zu ermitteln und dann die gefundenen Einzelbeträge zu addieren. Der Richter im Zivilgericht hat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes einen erheblichen Ermessensspielraum. Einen Orientierungsrahmen bieten verschiedene Schmerzensgeldtabellen. Darin werden mehrere tausend Urteile so aufgearbeitet, dass es dem Nutzer möglich ist, zu verschiedenen Verletzungen vergleichbare Fälle zu finden.

In der nachfolgenden Tabelle gebe ich Schmerzensgeldbeträge für bestimmte Verletzungen an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass größere Verletzungen selten alleine auftreten. Daher ist zum Beispiel das angemessene Schmerzensgeld für eine Querschnittslähmung nicht alleine auf die Verletzung am Rückenmark zurückzuführen. Vielmehr sind bei den relativ hohen Beträgen auch weitere Verletzungen und Kriterien wie die Minderung der Erwerbstätigkeit und entgangene Lebensfreuden mit zu berücksichtigen. Es ist auch ein Unterschied, ob eine Fingerverletzung einen berühmten Klavierspieler oder einen Rentner trifft. Die eigentlichen Schmerzen durch die Verletzung sind wohl weitgehend identisch. Die tatsächlichen Beeinträchtigungen sind es dagegen nicht mehr. Ich versuche, trotzdem für jede Verletzung nur einen Betrag zu bestimmen. In der Tabelle angegeben sind die Ausgangswerte, die in unserer Kanzlei angewendet werden. Diese sind dann anhand des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen und nach unten oder oben zu korrigieren.

Verletzung

Ausgangswert

Amputation/Verlust Arm

60.000,00 €

Auge

30.000,00 €

Brust

30.000,00 €

Finger

5.000,00 €

Fingerglied

1.500,00 €

Fuß

30.000,00 €

Geruchssinn

3.500,00 €

Geschmackssinn

3.500,00 €

Hand

30.000,00 €

Hoden

15.000,00 €

Hörvermögen

25.000,00 €

Oberschenkel

40.000,00 €

Unterschenkel

30.000,00 €

Zehe

1.500,00 €

Bruch Arm

1.000,00 €

Becken

2.000,00 €

Finger

1.000,00 €

Hand

1.000,00 €

Kiefer

2.000,00 €

Knie

4.000,00 €

Oberschenkel

2.000,00 €

Querschnittslähmung

100.000,00 €

Schädel

3.000,00 €

Schlüsselbein

1.500,00 €

Steißbein

1.500,00 €

Unterschenkel

2.000,00 €

Wirbelsäulenkörper

2.500,00 €

Verletzung Bänder Finger

500,00 €

Meniskus

4.000,00 €

Sprunggelenk

1.000,00 €

Prellung

100,00 €

Schleudertrauma

400,00 €

Arbeitsunfähigkeit je Woche

200,00 €

 

Ich will hier kurz zwei Werte näher betrachten. Für die Querschnittslähmung (fast vollständig) fällt nur ein relativ geringer Betrag an. Diesen kann man so in den einschlägigen Tabellen finden. In der Praxis lassen sich wesentlich Höhere Werte erzielen. Eine nicht angeschnallte Mandantin bekam nach einem Unfall mit Fahrerflucht im Ausland bei einer Lähmung unterhalb der Arme 240.000 EUR Schmerzensgeld (insgesamt betrug der Schadensersatz rund 800.000 EUR). In einem anderen Fall erlitt eine Mandantin eine Fingerverletzung und erhielt dafür 2.500 EUR Schmerzensgeld, weil sie als Sängerin an der Oper ihre Lieder am Klavier einstudierte. Die obigen Beträge sind grobe Anhaltspunkte. In den meisten Fällen dürften die konkreten Umstände zu einer Korrektur nach oben führen.

Die Serie wird laufend fortgesetzt und ergänzt.

Weitere Informationen: Buch zum Thema Fahrerflucht