Der Kurzbeitrag mit Fallbeispielen wendet sich an Geschädigte und Reparaturbetriebe, die aus technischer und juristischer Sicht über die Möglichkeit einer Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs zu entscheiden haben.
I. In der Regel wird der Begriff des Totalschadens im Zusammenhang mit der Abrechnung eines Schadens verwendet und gerade nicht im Sinne einer tatsächlichen Zustandsbeschreibung des beschädigten Fahrzeugs. Folgende (Abrechnungs-) Grundsätze gelten stets:
1. der Geschädigte ist berechtigt, sein Fahrzeug instandsetzen zu lassen, wenn die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes liegen.
2. Der Geschädigte kann sich die Netto-Reparaturkosten auszahlen lassen, wenn die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert geringer ist als die kalkulierten Reparaturkosten (= Fiktive Abrechnung)
3. der Geschädigte ist auch dann berechtigt, sein Fahrzeug reparieren zu lassen, wenn die Reparaturkosten höher liegen als der Wiederbeschaffungswert (= 130%-Grenze), wenn:
- die durch ein Sachverständigengutachten prognostizierten Reparaturkosten zuzüglich einer eventuellen merkantilen Wertminderung nicht höher als 130 % des Wiederbeschaffungswertes ausfallen
- das Fahrzeug muss fachgerecht und vollständig repariert werden, d.h. die Vorgaben des Sachverständigengutachtens müssen eingehalten werden
- der Geschädigte muss das Fahrzeug nach der Reparatur in der Regel sechs Monate weiter nutzen (= Nachweis des Integritätsinteresse)
4. wenn der Geschädigte sein Fahrzeug trotz Überschreiten der 130 % Regelung reparieren lässt, kann er nicht etwa bis zur Grenze von 130 % abrechnen. Vielmehr muss er sich eine Abrechnung Wiederbeschaffungswert abzügich Restwert gefallen lassen.
II. Fallbeispiele unter Berücksichtigung eines eingeholten Sachverständigengutachtens, das Auskunft zur Höhe von Reparaturkosten, Wiederbeschaffungswert und Restwert gibt:
1.
Wiederbeschaffungswert brutto: EUR 10.000,00
Reparaturkosten brutto: EUR 13.000,00
Der Geschädigte nutzt das Fahrzeug nach Reparatur sechs Monate weiter
= klassischer 130 % Fall, d.h. der Geschädigte kann EUR 13.000,00 verlangen.
2.
Wiederbeschaffungswert brutto: EUR 10.000,0
Reparaturkosten brutto: EUR 13.000, 00
Der Geschädigte repariert das Fahrzeug selbst oder lässt es „ohne Rechnung“ reparieren und nutzt das das Fahrzeug nach Reparatur sechs Monate weiter
= der Geschädigte kann die im Gutachten ausgewiesenen Netto- Reparaturkosten verlangen, d.h. ohne die Mehrwertsteuer
3.
Wiederbeschaffungswert brutto: EUR 10.000,00
Reparaturkosten brutto: EUR 12.000,00
merkantile Wertminderung: EUR 2.000,00
= die Reparaturkosten zuzüglich der merkantilen Wertminderung übersteigen EUR 13.000,00, d.h. sie liegen über 130% der Reparaturkosten. Der Geschädigte darf nicht bis zur Grenze von 130 % abrechnen sondern muss er sich eine Abrechnung Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert gefallen lassen.
4.
Wiederbeschaffungswert brutto: EUR 10.000,00
Reparaturkosten brutto: EUR 13.000,00
tatsächliche Reparaturkosten brutto gemäß Werkstattrechnung: EUR 15.000,00
= Der Geschädigte kann Euro 15.000,00 verlangen, wenn die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten ursächlich auf den Schadensfall zurückzuführen sind. in diesem Fall kommt es auf die durch den Sachverständigen prognostizierten Reparaturkosten nicht an.
Infolge der regelmäßig unpräzisen Verwendung der Begrifflichkeit echter Totalschaden, wirtschaftlicher Totalschaden, unechter Totalschaden, 130 % Regelung empfiehlt sich die Einholung einer fundierten Auskunft durch einen Rechtsanwalt.
Ihr Christian Heid, LL.M.
Rechtsanwalt
– Hast Du Streit, geh´zu HEID! –
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