Rechtsanwalt Bernd Matthias Höke: „Über 80 Prozent der Autoversicherer liegen unter der Wasserlinie“

Mit Kritik nicht unbedingt zurückhaltend war der gelernte Rechtsanwalt Bernd Matthias Höke in Potsdam bei seiner Premierenrede als Gesellschafter-Geschäftsführer der auf Verkehrsrechtsfälle spezialisierten Anwaltskanzlei Voigt (Stammsitz München). „Schadenmanagement – quo vadis?“ lautete der Titel seines Vortrages. Der Untertitel – „Dumping, Fairplay und Wahnsinn?“ – ließ bereits erahnen, dass dem Plenum eine spannende halbe Vortragsstunde bevorstand. Zudem erläuterte Höke, warum er nach mehr als 20 Jahren in führenden Positionen seine Ämter in der Versicherungswirtschaft beendet hat.

„Für die Unfallreparaturbranche war Bernd Matthias Höke quasi die ,Inkarnation‘ des Kfz-Schadens der SIGNAL-IDUNA – stets anfassbar, mit der richtigen, gesunden Einstellung nach dem Motto ,Leben und leben lassen‘, also ein Mann des Ausgleichs der Kräfte im Markt“, kündigte AUTOHAUS-SchadenBusiness-Chefredakteur Walter K. Pfauntsch auf dem 6. AUTOHAUS-Schadenforum den Anwalt an. Unbestritten auch dessen Verdienste sowohl für ein moderates Kfz-Schadenmanagement als auch im Disease-Management! Ende September 2010 beendete Höke seine Ämter bei der SIGNAL-IDUNA, der ADLER-Versicherung sowie in der K-Schadenkommission des GDV, wo er Vorsitzender war. Mit Stichtag 1. Oktober 2010 übernahm er die Leitung der namhaften Münchner Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH als Gesellschafter-Geschäftsführer gemeinsam mit Kanzleigründer RA Ernst Voigt und dessen Kollegin Barbara Lohs.

In Potsdam hielt Höke zunächst eine Rückschau, aus der deutlich wurde, dass sich die Schadenmanagement-Kräfte im Markt sukzessive seit 1992 entwickelten. Erster Auslöser: Der sogenannte „Mietwagenkrieg“ 1992, nachdem die Abrechnungs-Vereinbarung mit dem damaligen „HUK-Verband“ aufgelöst wurde: „Die Preisschere zwischen Privat- und Geschäftsanmietungen und dem, was die Versicherer zu zahlen hatten, ging immer weiter auseinander“, so Höke. Noch bis 2008 habe er für den GDV die Gespräche mit dem Bundesverband der Autovermieter geführt. Ziel: Ein Agreement, „das auch kartellrechtlich noch vertretbar ist“. Die Deregulierung des Marktes und der „plötzliche Wettbewerb“ bedeuteten 1994 den „härtesten Einschnitt für die Versicherungsbranche seit deren Bestehen“. Mit Blick auf die heutigen Autotarife habe das „deutliche Spuren hinterlassen“.

Trotz Werkstattbindung weiter steigende Schadendurchschnitte

1996 dann das Startjahr von Schadenmanagement, das seinerzeit noch mit „Kundenorientierung“ umschrieben war. „Das war schwierig, denn wenn vorher 20 Jahre lang die Leute mit dem Rotstift ausgebildet wurden, darf man nicht von heute auf morgen Problemlöser erwarten.“ In weiterer Folge wurden „Partnernetzwerke“ aufgebaut, bei denen Werkstätten und Autohäuser „erstmals als Kooperationspartner begriffen“ wurden. Was seinen Part anlangt, war Höke nicht ganz ohne Stolz: „Auch ich habe für SIGNAL-IDUNA gemeinsam mit dem Handwerk, dem ZKF und Eurogarant Vereinbarungen geschlossen. Das läuft bis heute hervorragend – ohne Dumpingpreise und ganz ohne Wahnsinn!“

Kaskotarife mit Werkstattbindung ab 2005 sollten, so Höke, die Bindung eigener Kunden an eine Partnerwerkstatt „weiter pushen“. Seit 2008 sei Werkstattsteuerung zum Standard bei Versicherungen geworden. Achillesferse: „Der Schadendurchschnitt steigt und steigt und steigt.“ Nicht ohne Ironie erläuterte Höke ein weiteres Chart, bei dem der Kunde von allen am Schaden Beteiligten „im Mittelpunkt und damit immer im Weg“ gesehen werde. Um ihn herum wollen sich im Schadenfall Autohersteller, Werkstätten, Autovermieter, Sachverständige, Anwälte und Versicherer („welche die Zeche zahlen“) kümmern.

Wahnsinn in der Kfz-Assekuranz

Eingehend auf eine Forderung des 6. AUTOHAUS-Schadenforums zur Prämienerhöhung, um die verheerenden Defizite bei Autoversicherern (O-Ton Höke: „Hausgemachter Wahnsinn durch Dumpingpreise“) zu verringern und Druck aus dem Schadenmanagement zu nehmen, verwies der Jurist auf „neues Ungemach für die Versicherer“. Das Stichwort dazu: „Solvency II“, eine verschärfte Eigenkapitalregel. Konkret: Will ein Versicherer in der Autosparte verbleiben, muss er diese mit mehr Mitteln ausstatten als bisher. „Das ist schwierig, wenn man weiß, dass in der Autoversicherung momentan kein Geld verdient wird.“ Und der Erste, der seine Prämien über Marktdurchschnitt anhebt, „könnte sich damit aus dem Markt katapultieren“.

„Wahnsinn“ aus Versicherersicht sei auch die 2008 in Kraft getretene VVG-Reform: „Gebracht hat sie einen Wust an Beratungs- und Dokumentationspflichten mit viel Papier.“ Geändertes Rechtsdienstleistungsgesetz, gnadenloser Verdrängungswettbewerb, dazu noch neue Vertriebswege – Stichwort C&A-, Tchibo- oder Aldi-Autopolicen und Internet –, zusätzliches Engagement von Automobilclubs als Versicherer und die Package-Finanzierungs- und Versicherungsstrategien der Automobilhersteller: All das mache den angestammten Versicherern im Moment schwer zu schaffen.

„Das zieht natürlich auch Verträge von den Versicherungen ab und erzeugt summa summarum einen riesigen Kostendruck. Dazu kommt, dass 25 bis 28 Prozent der Fahrzeughalter durchaus bereit sind, jedes Jahr den Versicherer zu wechseln“, so Höke. Zu wenig pflege die Versicherungswirtschaft „nach wie vor“ auch ihr Image.
Über 80 Prozent der Autoversicherer liegen nach seinen Worten 2010 „eigentlich unter der Wasserlinie“, wie dies bereits auf dem K-Fachtag öffentlich beklagt worden sei. An Plenum und Moderatoren gewandt: „Wenn Sie also hier fragen, ob die Prämie angehoben werden muss, antworte ich Ihnen mit einem Ja, natürlich! Trotzdem will keiner der Erste sein.“ Zwar würden sich erste Beitragsanhebungen „ganz zart und moderat für 2010 andeuten“. Neue Tarife könne man aber nur für Neugeschäfte, also für die Wechsler, anbieten. Durch den Gesamtbestand bekäme man eine Prämienanhebung damit frühestens nach vier bis fünf Jahren.

lesen Sie mehr unter www.autohaus.de