Auffahrunfälle mit mehreren Fahrzeugen – was gilt?

Wer auffährt hat Schuld! Diese Weisheit kennt jeder Verkehrsteilnehmer. Gegen denjenigen, der auf das Heck eines Anderen auffährt, spricht der Anschein des Verschuldens. Doch was gilt, wenn mehrere Fahrzeuge nacheinander oder gleichzeitig aufgefahren sind. Gerade im dichten Berufsverkehr oder auf Autobahnen bleibt es häufig nicht dabei, dass ein Fahrzeug auf das andere auffährt. In kürzester Zeit kommt es zu Kettenkollisionen mehrerer Fahrzeuge. Danach herrscht häufig Streit. So behauptet regelmäßig der mittlere in einer Kette von 3 Fahrzeugen befindliche Verkehrsteilnehmer noch rechtzeitig zum Stehen gekommen und von dem Hintermann auf dem Vordermann aufgeschoben worden zu sein. Der Dritte wiederum behauptet, dass der Zweite zuerst auf den Ersten aufgefahren und so den eigenen Bremsweg verkürzt zu haben. Sehr häufig ist dann in einer solchen Konstellation nicht aufklärbar, was nun tatsächlich richtig ist. Es steht Aussage gegen Aussage. Was bedeutet eine solche unaufklärbare Situation jedoch rechtlich? Der Erste hat Glück. Er kann seinen Heckschaden vollumfänglich von dem Zweiten ersetzt verlangen. Mit dem Dritten steht ihm dabei sogar noch ein weiterer Gesamtschuldner zur Verfügung, den er auch in Anspruch nehmen kann. Er hat also die freie Wahl. Der Dritte hat Pech. Er bleibt auf seinen Frontschaden sitzen. Eine Bremswegverkürzung des Zweiten kann er nicht nachweisen, der Anschein spricht gegen ihn. Für den Zweiten ist die Situation zwiespältig. Den Heckschaden kann er vom Dritten ersetzt verlangen, den Frontschaden muss er allein zahlen. Ist der Frontschaden dabei schon so gravierend, dass allein aufgrund dessen ein Totalschaden eingetreten ist, kann er vom Dritten lediglich den um den Heckschaden verminderten Restwert seines Unfallautos ersetzt verlangen. Meist ist dies lediglich ein sehr geringer Betrag.

 

Die Unaufklärbarkeit bei solchen Situationen beruht sehr häufig darauf, dass einem Sachverständigen, der den Unfall zu rekonstruieren beabsichtigt, häufig nicht ausreichend Anknüpfungstatsachen zu Verfügung stehen, um sichere Antworten geben zu können. Um ungerechte Ergebnisse aufgrund Unaufklärbarkeit zu vermeiden, sei darum angeraten, zunächst unmittelbar nach dem Unfall Fotos von der Endstellung der Fahrzeuge anzufertigen. Gerade bei Kettenauffahrunfällen kommen dabei den jeweiligen Abständen der Fahrzeuge nach dem Unfall besondere Bedeutung zu. Genauso wichtig ist, dass ein Sachverständiger die Krafteinwirkung auf das jeweilige Fahrzeug feststellen kann. So wäre die Einlassung des Zweiten noch rechtzeitig zum Stehen gekommen zu sein, widerlegt, wenn nachgewiesen werden würde, dass die Krafteinwirkung auf seine Front größer war, als auf sein Heck. Darum sollte nach Möglichkeit auf einen Verkauf oder eine Reparatur verzichtet werden. Jedenfalls muss aber dafür gesorgt werden, dass aussagekräftige Fotos angefertigt werden. Leider reichen hier oft oberflächliche Fotos nicht aus, da gerade im Heckbereich relevante Beschädigten oberflächlich nur schwer zu erkennen sind. Ohne eine solche unmittelbare und umfangreiche Beweissicherung – für die sich übrigens die Polizei sehr häufig nicht zuständig fühlt –  wird die Unaufklärbarkeit zu ungerechten Ergebnissen führen.

Über den Autor:

Bei verkehrsrechtlichen Vorfällen wie Verkehrsunfall, Bußgeld oder Fahrverbot kann Ihnen am besten ein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht helfen. Rechtsanwalt Christian Janeczek ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Dresden und in der Kanzlei Roth und Partner in Dresden tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind die Rechtsgebiete Verkehrsrecht, Strafrecht und Versicherungsrecht.  Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Strafrecht ist er Regionalbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht.

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