Rechtsanwälte und Sachverständige warnen vor dem Schadensmanagement der Versicherer
Es hat gekracht. Das Auto ist beschädigt. Als Beteiligter ist man geschockt. Da freut man sich als Geschädigter doch, wenn die Versicherung unverzüglich mit einem Kontakt aufnimmt. Es entsteht der Eindruck einer besonders schnellen und effektiven Regulierung des Schadens. Aber Vorsicht! Schnelle Hilfe ist nicht immer gute Hilfe, warnen im Verkehrsrecht tätige Rechtsanwälte und die mit Schadensgutachten befaßten KFZ-Sachverständigen.
Immer öfter beschweren sich Geschädigte bei Rechtsanwälten über zu wenig erhaltenen Schadensersatz und Verzögerungstaktiken der Versicherungen.
Auch die Medien haben hierüber schon verschiedentlich berichtet. „Das sind die typischen Auswirkungen des Schadensmanagements der Versicherungswirtschaft und deren Regulierungspraxis“, erläutert der Babenhäuser Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Ingo Friedrich. „Was der Versicherte zunächst als gutes Serviceangebot des Versicherers empfindet, dient in Wirklichkeit nur dazu, die Unfallregulierung in für die Versicherer günstige Bahnen zu lenken. Trotz gravierender Interessenkollision beraten Versicherer den Geschädigten oft über seine Rechte und tun so, als seien sie Freund und Partner des Geschädigten. Der Geschädigte soll so planmäßig um seinen ganzen Schadensersatz gebracht werden.“ Manchem fällt dabei vielleicht auch der alte Otto-Waalkes-Witz ein: „Kopfschmerzen? Mal sehen, was dieser freundliche Henker empfiehlt…!“.
Im „aktiven Schadensmanagement“ versteht sich der haftpflichtige Versicherer als „Manager“ des Schadens.
Nicht der Geschädigte soll in Eigenregie für die Reparation sorgen, dies will der gegnerische, also der haftpflichtige Versicherer übernehmen. Wenn nämlich der Haftpflichtversicherer den schnellen Kontakt zum Geschädigten aufnimmt, kann er verhindern, daß der Geschädigte sich beraten läßt. Läßt sich der Geschädigte von seinem Rechtsanwalt – am besten noch am Unfalltag – beraten, kennt er anschließend seine Rechte und verursacht höhere Kosten, als wenn er die Hälfte seiner Ansprüche vergißt geltend zu machen. Folglich muß der Versicherer versuchen, die Einschaltung von Beratern, deren Kosten der Versicherer ja sowieso übernehmen muß, zu verhindern. Kostenverursachende Berater sind insbesondere Rechtsanwälte, Gutachter und Kfz-Werkstätten, die ihr Geschäft verstehen. Die Strategie des erfolgreichen Schadenmanagers lautet deshalb: Halte den Geschädigten dumm! Halte ihn von gutem Rat fern!
Nur ein dummer Geschädigter ist ein kostengünstiger Geschädigter!
Der Haftpflichtversicherer wird zum „aktiven“ Spieler, der auf den Geschädigten zugeht, um ihm nahezulegen, wie er seinen Schaden „am besten“ beheben sollte. Erhält der Sachbearbeiter der haftpflichtigen Versicherung Zugriff auf den Geschädigten, bevor der sich kompetenten Rechtsrat einholen kann, hat ein psychologisch geschulter „Schadenmanager“ gute Chancen, den Schadenfall kostengünstig zu regulieren, oder, böse formuliert: Als der Teil mit dem überlegenen Wissen kann der Schadensachbearbeiter sein unvorbereitetes Opfer übervorteilen!
Herstellung des Erstkontakts
Um die vorgestellte Strategie zum Erfolg zu führen, ist es wesentlich, daß der Versicherer der erste ist, der in Kontakt zum Geschädigten tritt. Keinesfalls soll der Geschädigte als erstes seinen Anwalt anrufen! Ist der Geschädigte gut informiert, schaltet er nämlich gleich einen Rechtsanwalt ein: Bevor der „Schadenmanager“ den Geschädigten steuern kann, ist das Einsparpotential weitgehend verloren! Je mehr Zeit vergeht, bis der Kontakt zum Geschädigten hergestellt wird, desto schlechter sind die Chancen, die Schadensbehebung noch steuern zu können. Nach den Versicherungsbedingungen ist der Schädiger verpflichtet, den Vorfall binnen einer Woche seinem Haftpflichtversicherer zu melden. Weil eine Woche ganz schön lang ist, halten die Versicherer ihre Assekuraten an, Schäden sofort zu melden.
Mündige Autofahrer wissen deshalb: Beim Unfall gleich zum Anwalt! Und Verkehrsanwälte werben zu Recht mit dem Motto: „Wir holen mehr für Sie raus!“
© 2010 Rechtsanwalt Dr. Ingo Friedrich, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Babenhausen Tel 06073/7272-0